Dank des immer größer werdenden Angebots von Radwegen und E-Bike-Vermietungen entwickelt sich Frankreich zu einem äußerst interessanten Reiseziel für Radfahrer. Vielleicht sollte auch ich mal wieder in die Pedale treten, dachte ich mir bei der Planung meines Roadtrips entlang der korsischen Ostküste. Und ich hatte auch schon eine bestimmte Route im Visier: den ersten Teil des GT 20, des la Grande Traversée de Corse. Eine 571 Kilometer lange Radwanderroute, die von Norden nach Süden entlang der Küste und durch die Berge verläuft. Der GT 20 beginnt in Bastia und führt weiter über das Cap Corse an der Nordwestküste Richtung Golf von Porto. Danach geht es landeinwärts über die historische Hauptstadt Corte weiter über die Berge und durch die Täler des Bavella-Gebirges Richtung Bonifacio. Die ganze Strecke ist aufgeteilt in 12 bis 14 Etappen. Wir entscheiden uns für die beiden ersten Etappen von Bastia hoch zur Spitze des Cap Corse und dann wieder zurück bis nach Saint Florent. Das sind insgesamt rund 125 Kilometer auf dem E-Bike.
Start beim Finish
Die Logistik für diese zweitägige Tour erwies sich als Herausforderung. Ich wollte in Bastia beginnen, um von dort die Ostküste Richtung Norden entlangzuradeln. Am nächsten Tag sollte es entlang der Westküste wieder Richtung Süden nach Saint-Florent gehen. In Absprache mit der Reiseorganisation und dem Radverleih Europe Active beschlossen wir, das Auto an unserem Hotel am Ziel in Saint Florent stehen zu lassen und von dort ein Taxi nach Bastia zu nehmen (Entfernung 56 km, Kosten 60 €). Natürlich hätten wir diese Strecke auch mit dem Fahrrad zurücklegen können, doch die Straße ist sehr befahren und führt über einen steilen Gebirgspass, weshalb man uns – zu Recht – davon abriet.
Entlang der Westküste vom Cap Corse
In Bastia erwartet uns Celine von Europe Active mit den E-Bikes (plus Radtaschen!) und erklärt uns auf einer Touren-App, die sie Kunden zur Verfügung stellt, den Weg. Ziemlich praktisch, denn so weiß man immer, wo man ist und wo sich die nächste Toilette oder ein Ort für eine Pause befinden. Und das ist wahrlich kein überflüssiger Luxus in einer Gegend, die so dünn bevölkert ist wie das Cap Corse! Wir starten am Hafen von Bastia und nach 10 Kilometern auf dem Rad liegt die Hektik der Stadt weit hinter uns und wir fahren durch jahrhundertealte Dörfer wie Brando und Erbalunga.
Ideal für eine Kaffeepause und einen kleinen Bummel. Die nächsten 15 Kilometer führen durch Natur pur und wir genießen die unberührte Küste, die sich hier und da mit kleinen Buchten zu unserer Linken und mit einer sanften Hügellandschaft und Weinbergen zu unserer Rechten zeigt. Je näher wir dem Kap kommen, desto ursprünglicher wird die Landschaft. Es wird leerer, rauer, unberührter. Wunderschön! Die Strecke legen wir auf der D 80, der Küstenstraße, zurück. Wir müssen deshalb hintereinander herfahren. Vorteil der von uns gewählten Richtung: Wir fahren auf der zur Küste gewandten Seite.
Nach 35 Kilometern rufen unsere Beine STOP und wir legen eine Mittagspause in Maccinagio ein, dem letzten Dorf an der Ostküste vor der Umrundung des Kaps. Und ein perfekter Stopp fürs Mittagessen, denn am Boulevard wetteifern mehrere Restaurants um die Gunst der Gäste. Ein Tipp für alle, die später auch einmal diese Tour machen möchten: Spart nicht an falscher Stelle, sondern gönnt euch ein echtes französisches Mittagessen. Hier genießt ihr die frischesten Fischgerichte, ihr bekommt also etwas für euer Geld. Und außerdem: Ihr habt es euch verdient!
Die Kap-Umrundung
Ohne Schuldgefühle beende ich das Mittagessen mit einem hausgemachten Tiramisu, denn die Kalorien werden ja sowieso wieder verbrannt. Ich weiß nämlich, dass noch weitere 15 Kilometer für die Umrundung des Kaps auf uns warten. Es geht nach oben und wir setzen das E-Bike in den Sport-Modus. Die Steigung bedeutet auch, dass wir uns von der Küste entfernen und ins Binnenland fahren. Aus dem Meerblick wird Waldsicht, auf Strände folgen Berge. Eine wunderschöne, 15 Kilometer lange Tour mit Cappiaghja auf halber Strecke als Aussichtspunkt. Von dort kann man mit bloßem Auge Cap Corse erkennen. Ein weiterer schöner Ort mit Panoramablick ist Moulin Mattei, etwas außerhalb des Dorfes Ersa. Diese weiße Mühle steht auf einem Hügel als eine Art Meilenstein. Hier habt ihr nicht nur einen fantastischen Rundumblick, sondern ihr habt auch die Ostküste erreicht! Zur Mühle gelangt ihr über einen Pfad (ca. 350 m).
Nach Moulin Matei nähert sich das Finish unseres ersten Radfahrtags und der Start der Tour entlang der Ostküste. Wir sausen nach unten, Richtung unserer Unterkunft in Centuri. Eine Strecke, die wir übrigens nicht mehr so schnell vergessen werden, denn nachdem wir die Abfahrt zum Hafendorf genommen haben, hoppeln wir über eine 7 Kilometer lange, steile und absolut schlecht gewartete Straße. Passt also gut auf!
Centuri und Hotel Le Vieux Moulin: 2 x ein Treffer!
Unternehmt auf keinen Fall die Tour zum Cap Corse ohne einen Besuch von Centuri! Dies ist ein wunderschöner alter Hafenort, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Zahlreiche Restaurants – man sagt, dass es davon mehr gibt als Wohnhäuser – bieten fangfrischen Fisch an und ihr könnt prima auf einer der vielen Terrassen sitzen. Ein auffallender Blickfänger am Hafen ist das Hotel Le Vieux Moulin, wo wir übernachten. Es ist ein stattliches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert, romantisch und charmant. Dort treffen wir die unterhaltsame Patricia, eine Niederländerin, die vor ein paar Jahrzehnten hierher zog, weil sie sich in den Sohn des Hauses verliebte und ihn auch heiratete. Seine Eltern verwandelten das Haus in den 1980er-Jahren in ein Hotel, das später an die nächste Generation überging.
Heute führt Patricia, inzwischen Witwe, zusammen mit ihren Kindern die Unterkunft. Die 150-jährige Geschichte spiegelt sich in vielen Hausdetails wider: in der schönen Fassade mit der prächtigen Bougainvillea, im beeindruckenden Treppenhaus, im Saal im ersten Stock und in den herrschaftlichen Zimmern mit den hohen Decken. Weitere, modernere Zimmer befinden sich in einem Nebengebäude. Doch alle Gäste können die fantastisch gelegene Terrasse mit Aussicht auf den Hafen nutzen. Und hier kann man auch noch hervorragend essen!
Über die Ostküste von Cap Corse Richtung Süden
Nach einem guten Frühstück und einem letzten Blick auf den Hafen starten wir in den zweiten Tag unserer Radtour. Zum Glück gibt es auch einen anderen Weg, der uns von Centuri langsam bergaufwärts zur D 80 bringt. Doch auch diese Strecke sorgt bei uns für viele Ohs und Achs. Dies ist auch der Anfang einer atemberaubend schönen Tour direkt entlang der steilen Felsküste. Allerdings ist sie nicht gerade ungefährlich, denn man teilt sich die Straße mit anderen Fahrzeugen wie Autos, Motorrädern und – in der Hochsaison – Reisebussen. Also gut aufpassen!
Wir fahren durch Dörfer wie Pino und kurz vor dem folgenden Dorf Canari legen wir eine Pause bei der Punta di Canari ein. Dort führt die Straße durch die Felsen, was einen imposanten Anblick bietet. Das sind die Momente, in denen man sich bewusst wird, was der allergrößte Vorteil einer Radtour ist: Wir können absteigen, wann immer wir möchten. Um ein Foto zu machen, Wasser zu trinken oder einfach nur, um still zu stehen und den Ausblick zu genießen. Ein Privileg, das man als Autofahrer auf so einer kurvenreichen Küstenstraße absolut vergessen kann.
Saint-Florent
Nach einem guten Mittagessen in Nonza beginnen wir mit der letzten Etappe der Cap-Corse-Umrundung mit dem idyllischen Hafenstädtchen Saint Florent als Ziel. Langsam verschwindet das Meer aus dem Blickfeld. Wir fahren mitten durch eine üppig grüne Landschaft, an die von beiden Seiten die Weinberge von Patrimonio grenzen. Nachdem wir an diesem Tag fast 60 Kilometer gefahren sind, kommen wir am Nachmittag im charmanten Hotel Tettola in Saint Florent an. Dort verwöhnen wir uns mit einem Bad im Pool und lassen den Tag auf einer großen Liege im Garten ausklingen. Um unsere E-Bikes müssen wir uns nicht mehr kümmern; sie werden vom Radverleih abgeholt.
Am Abend haben wir wieder genug Energie zur Erkundung von Saint Florent. Wir bummeln am Kai des beeindruckenden Jachthafens entlang, an dem zahlreiche Cocktailbars und Restaurants angesiedelt sind. Danach schlendern wir durch die idyllische Altstadt und landen danach auf der Terrasse des Restaurants Mathys, wo wir ein kulinarisches Festmahl genießen. Unglaublich lecker! Am nächsten Tag tun wir das, was alle Besucher Saint Florents tun: eine Bootstour ins Paradies unternehmen. In nur 45 Minuten bringt euch der Kapitän an den blendendweißen Strand von Lotu. Oder ihr fahrt ein Stückchen weiter zur Plage de Saleccia. An beiden Stränden fühlt man sich wie auf einer einsamen Südseeinsel – mit weißem Sand und türkisblauem Meerwasser. Ihr müsst allerdings selbst Essen und Trinken mitnehmen, denn diese Strände gehören zum Naturpark Agriate. Deshalb sind hier (fast) keine Strandbars zu finden.
Eine Insel auf der Insel
Zusammenfassung: Diese zweitägige Radtour war der Höhepunkt unseres Korsika-Roadtrips. Als Radfahrer ist man der Schönheit dieser doppelten Küstenroute hautnah ausgesetzt: das Rauschen der Wellen an der Westseite, der Duft der Maquis, der Wind im Haar während der Abfahrt und natürlich die schönen Pausen an den Stellen, an denen man am besten die Aussicht genießen kann. Die Landschaft und die Dörfer haben einen anderen Charakter als anderswo auf der Insel. Mir kam es so vor, als ob wir eine griechische oder spanische Insel durchkreuzten. Und das lässt mich daran denken, was mir Patricia vom Hotel le Vieux Moulin sagte: „Cap Corse ist eine Insel auf einer Insel. Alles dreht sich hier um den Menschen, die Natur und das Leben. Unser Leben, mein Leben.“
Praktische Infos
– Mit der Einrichtung des GT 20 sollten auch Beschilderungen und Aufladestationen für E-Bikes kommen. Während unserer zweitägigen Radtour haben wir weder das eine noch das andere gesehen. Seid also entsprechend vorbereitet!
– Vor allem im Sommer kann der Asphalt sehr heiß werden. Auch wurde uns klar, dass man das Wasser nachfüllen sollte, wo auch immer es möglich ist, denn unterwegs – außerhalb der Dörfer – gibt es kaum Gelegenheit dazu.
– Die GT-20-Route führt größtenteils über Straßen, weshalb man mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen muss.
– Ein Gepäcktransport ist auf jeden Fall ratsam. Wir mieteten unsere Räder über Europe Active auf Korsika. Sie können auch die komplette Radreise organisieren.
– Die Bootstour vom Hafen von Saint Florent zur Plage de Lotu oder zur Plage de Saleccia reserviert ihr am besten im Voraus, denn sie ist sehr beliebt. Bitte beachten: Ihr müsst auch direkt die Rückfahrt reservieren! Ein Ticket kostet ca. 20 €.
Fietsroute GT20 - Cap Corse
Fietsend van Bastia naar Saint-Florent
20217 Saint-Florent
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