Zu Fuß durch die Welt – und durch Frankreich
Pilgern in Etappen: Auf dem Jakobsweg durch Frankreich
Auch wenn der Fußmarsch und das Schleppen des Rucksacks beschwerlich sein könnten, so bringt diese besondere Reiseform viele Vorteile mit sich:
– Ihr seid zu Fuß unterwegs und damit auf die umweltfreundichste Weise, die überhaupt möglich ist.
– Ihr werdet als Persönlichkeit an dieser Herausforderung wachsen und Selbstvertrauen tanken.
– Ihr habt eine langsame Art zu reisen gewählt und „Slow Travel“ liegt derzeit bekanntlich voll im Trend.
– Ihr könnt die faszinierenden Landschaften, an welchen ihr nicht nur in Frankreich vorbeikommt, in vollen Zügen genießen und die Natur abseits der Touristenmassen, Städte & Co in ihrer unberührten Schönheit bewundern.
– Ihr werdet neue Kontakte knüpfen, interessante Gespräche führen, Menschen aus aller Welt kennenlernen, von ihnen lernen und vielleicht sogar Freundschaften fürs Leben knüpfen.
– Ihr könnt endlich mal den Terminkalender sowie die Uhr zu Hause lassen und stattdessen in eurem eigenen Tempo reisen – ohne Verpflichtungen, Stress oder Ansprüche an euch selbst.
Die Liste der Vorteile, welche das Pilgern für euch bringt, könnte noch lange weitergeführt werden. Auch, wenn ihr also nicht eures Glaubens wegen den Jakobsweg antreten möchtet, gibt es dafür dennoch viele gute Gründe. Vor allem aber handelt es sich um eine einmalige Lebenserfahrung, von der ihr eines Tages noch euren Enkelkindern erzählen werdet!
Der Jakobsweg und seine französischen Etappen
Wenn das Pilgern für euch also bislang keine Option war, könnte und sollte sich das nun ändern. Der Jakobsweg ist der wohl bekannteste und schönste Weg in Mitteleuropa. Er ist der berühmteste Pilgerweg der Welt und das Beste: Ihr könnt quasi von eurer Haustüre aus loslaufen – oder aber nur einzelne Etappen in Angriff nehmen. Je nachdem, wie viel Zeit, Kondition und Motivation ihr mitbringt, könnt ihr den Jakobsweg individuell planen.
Viele Menschen entscheiden sich zum Beispiel, diesen zwar komplett zu bewandern, allerdings in kleine Etappen aufgeteilt. Sie reisen vielleicht in einem Jahr innerhalb von Deutschland, im nächsten durch die Schweiz, danach quer durch Frankreich und zuletzt in Spanien bis nach Santiago de Compostela. Dort befindet sich nämlich das Ziel der Pilgerstraße: das Grab des Apostels Jakobus. . Seinen Höhepunkt erlebte er zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert, doch seit dem 20. Jahrhundert genießt er ein regelrechtes Revival – auch in Frankreich. Dort gibt es vier historische Pilgerrouten, aus welchen ihr wählen könnt. Oder ihr absolviert sie einfach alle:
1. Via Turonensis als nördlichster der Jakobswege, dessen Sammelpunkt direkt in Paris liegt. Er führt durch insgesamt elf verschiedene Departements auf einer Strecke von etwa 700 Kilometern. Der Wanderweg selbst hat den Status als UNESCO-Welterbe, welcher sich von Paris in Richtung Orléans, Tours, Poitiers sowie Bordeaux erstreckt, bis er bei Ostabat-Asme auf zwei weitere Jakobswege trifft. Die Route weist ein flaches Profil auf und zählt daher als einfachste Strecke. Sie kann außerdem mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, wenn ihr nicht (vollständig) zu Fuß unterwegs sein möchtet.
2. Via Lemovicensis ist mit 800 bis 1.000 Kilometern etwas länger, dennoch hält sich die Anstrengung in Grenzen. Denn abgesehen vom ersten Teilstück in den Ausläufern der Mittelgebirgslandschaften rund um Burgund, ist das Profil eher flach mit maximalen Anstiegen von 500 Höhenmetern. Los geht es in Vézelay an der zum UNESCO-Weltkulturerbe gehörenden Basilika Sainte-Marie-Madeleine. Weiter geht es quer durch Burgund über Nevers oder Limoges, Bourges und Châteauroux in Richtung Périgueux. Dort steht erneut die Wahl zwischen zwei Routen offen, entweder über Sainte-Foy-la-Grande und Mont-de-Marsan oder Bergerac und Eauze.
3. Via Podiensis führt etwa 700 Kilometer lang von Le-Puy-en-Velay im „grünen Herzen von Frankreich“ über Saint-Chély-d’Apcher, Espalion, Conques, Figeac, Cahors, Saint-Jean-Pied-de-Port und Gascogne bis nach Moissac mit der Abtei Saint-Pierre. Diese Strecke gilt als ältester und bedeutsamster der französischen Jakobswege mit zahlreichen landschaftlichen Highlights zwischen historischen Sakralbauten, Schwemmlandebenen und Kalkhochebenen.
4. Via Tolosana von Arles ist die südlichste der Jakobsrouten, die etwa 750 Kilometer lang ist und den 1.632 Meter hohen Somport-Pass an der spanischen Grenze passiert. Für Abenteurer ist diese Strecke also ein echtes Highlight, für Ungeübte allerdings eine große Herausforderung. Von Arles aus schlängelt sich der Weg durch die Camarque und das Rhône-Delta, vorbei an Montpellier, Saint-Guilhem-le-Désert und der namensgebenden Stadt Toulouse. Die restliche Strecke verläuft über die Hügelketten von Cascogne bis zu den Pyrenäen, wo es schließlich hoch hinaus geht bis ins spanische Jaca.
Die ersten drei Routen gehen in der Nähe von Ostabat-Asme ineinander über und münden schließlich im sogenannten Camino Francés – dem „französischen Weg“ – . Die Via Tolosana schließt sich dieser Route hingegen erst in Spanien selbst an. Prinzipiell könnt ihr frei wählen, welche und wie viele der französischen Jakobswege ihr erkunden möchtet. Insgesamt 49 geschichtsträchtige UNESCO-Welterbestätten warten dort auf euren Besuch, zusammen mit zahlreichen weiteren Highlights wie wunderschönen Landschaften, pittoresken Dörfern, imposanten Städten oder verlassenen Stränden. Plötzlich klingt das Pilgern gar nicht mehr so langweilig, oder?!
Tipps, Checkliste & Co: Pilgern wie Gott in Frankreich
Noch besser klingt dieser Plan, wenn auch die kleinen Hürden auf dem Weg durch die richtige Vorbereitung beseitigt werden. Denn schmerzende Füße, ein zu schwerer Rucksack oder brütende Hitze müssen nicht sein, wenn ihr folgende Dinge bei der Organisation berücksichtigt:
– Packt alles ein, was ihr braucht – aber mehr nicht. Denn während der Reise werdet ihr über jedes Gramm froh sein, das ihr im Rucksack gespart habt. Sinnvoll kann außerdem ein gezieltes Training eurer Kondition sowie Muskeln sein, zum Beispiel der Beine oder des Rückens, um besser auf die Strapazen der Pilgerreise vorbereitet zu sein. Einfachere Strecken könnt ihr aber auch ohne viel Training vorab beginnen, sofern ihr bester Gesundheit seid. Die Kondition wird dann von selbst kommen … allerdings auch der Muskelkater, weshalb ihr die Etappen lieber zu kurz haltet als zu lang.
– Lauft eure Schuhe ein! Erst einmal braucht ihr natürlich die richtigen Schuhe, mit welchen ihr bequem und zuverlässig lange Strecken zurücklegen könnt. Die Wahl hochwertiger Outdoorschuhe, welche für die gewählte Route geeignet sind, und der passenden Größe sind die besten Voraussetzungen dafür, dass ihr euch eben keine Blasen lauft. Dann ist es wichtig, dass ihr die Schuhe vor (!) der Abreise für längere Zeit, bestenfalls einige Wanderungen, tragt.
– Die Reisezeit entscheidet zu großen Teilen darüber, wie anstrengend euer Vorhaben wird. Das Frühjahr sowie der Herbst sind für die Pilgerreise am besten geeignet, wohingegen der Sommer vielerorts zu heiß, der Winter hingegen zu kalt ist.
– Möchtet ihr nicht (die gesamte Strecke) zu Fuß gehen, könnt ihr einige der Jakobswege auch mit dem Fahrrad oder zu Pferd zurücklegen. Dann gilt es natürlich, die Etappen sowie eventuell auch Unterkünfte anders zu wählen. Und wer es noch bequemer haben will, der kann auch schlichtweg mit dem Auto, Zug oder Bus die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der französischen Jakobswege abklappern.
Dann allerdings werdet ihr nicht dieses unglaubliche Gefühl erfahren, zu Fuß Hunderte von Kilometern zurückgelegt zu haben. Habt ihr das nämlich geschafft, fühlt ihr euch körperlich und psychisch so stark wie niemals zuvor – garantiert! In diesem Sinne: „Amusez-vous bien“…
ZUM WEITERLESEN:
Übernachten in einem alten Kloster in Montauban
Neues Lichtfestival in Puy-en-Velay
Fotos: CC-BY/Martin Schütz (old route Jakobsweg), CC-BY/goodluz (hiker Cirque de Gavarnie), CC-BY/W. Apolloner (Basilika Sainte-Marie-Madeleine), CC-BY/A.-Cougnenc (Saint Guilhem Le Désert), CC-BY/Blavon (backpack), CC-BY/Gilles Roy (chemin de compostelle), CC-BY/Gardiole (coquilles Saint Jacques)
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