1. Die Vorschule beginnt in Frankreich früher als bei uns. Vorschulkinder müssen schon mit 3 Jahren windelfrei sein, wenn sie die Ecole maternelle besuchen.* In der Vorschule wird in allen drei Jahren Mittagsschlaf (la sieste) in einem Schlafsaal in der Schule gehalten.
2. Fast alle französischen Schulen haben eine eigene Kantine, in der die Schüler ein warmes Mittagessen mit vier Gängen bekommen. Dafür nimmt man sich auch ordentlich Zeit, was vielleicht begründet, warum französische Schultage länger dauern (siehe Punkt 4). Seit 2019 gibt es in der Schulspeisung einen obligatorischen Veggie-Day pro Woche.
3. In Frankreich bekommen Kinder viel früher Hausaufgaben auf, oft schon mit 6 Jahren. In dem Alter sind sie damit jeden Tag im Schnitt 20 bis 30 Minuten beschäftigt.**
4. Die Schultage sind in Frankreich länger: Sie dauern oft bis 16.30 Uhr, mit Hort und Hausaufgabenbetreuung sogar bis 18.00 Uhr. Dafür ist der Mittwoch frei (für die Kleinsten) oder kürzer (für die Größeren), und auch die Ferien sind häufiger und länger**.
5. Die französischen Sommerferien dauern volle 2 Monate, von Anfang Juli bis Anfang September. Zwischendurch gibt es während des Schuljahres regelmäßig kürzere Ferien: Alle 6 bis 7 Wochen haben französische Schüler zwei Wochen frei.
6. In Frankreich gibt es keine Strafen für Eltern, die ihre Kinder wegen der Urlaubsplanung schon einen Tag früher aus dem Unterricht nehmen. Sie riskieren allerdings einen Anpfiff von der Schulleitung.
7. Schon in der Grundschule bekommen französische Schüler lange, ausführliche Schuleinkaufslisten (fournitures) mit. Darin ist alles haargenau spezifiziert, bis hin zur Größe der Kästchen (bloß keine Zeilen!) im Heft. Die Ranzen der kleinen Franzosen sind wahnsinnig schwer. Schon Sechsjährige schleppen ein Gewicht mit sich rum, vor dem selbst Gymnasiasten bei uns kapitulieren würden. Kein Wunder, dass es in Frankreich sogar Schulranzen mit Rollen gibt.
8. Große Umgewöhnung für deutsche Kinder, die mit ihren Eltern nach Frankreich ziehen: Die Noten bewegen sich auf einer Skala von 0 bis 20, wobei 20 die beste Note ist (die man fast nie bekommt) und 0 die schlechteste (die gerne mal gnadenlos ausgeteilt wird). In der Grundschule verwenden wir Buchstaben für Ergebnisse: A, B, C, D…
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9. In Deutschland durchlaufen die Schüler bis zum Abitur im Prinzip 2 Einrichtungen (Grundschule und weiterführende Schule), während französische Schüler bis zu viermal die Schule wechseln (Ecole maternelle, Ecole primaire, Collège, Lycée).
10. In den französischen Grundschulen verschwindet die Anrede „Sie“ allmählich. Die Lehrer wählen selbst, was sie wollen, aber ein großer Teil bleibt bei „Madame X“ oder „Monsieur X“. Auch anders wie in Deutschland: die Schüler müssen sich vor der Tür in einer Reihe aufstellen (enfile indienne, in einer „Indianerreihe“) oder dürfen jeweils nur zu zweit (Hand in Hand) hinein.
11. Zum Geburtstag eine Runde Süßigkeiten ausgeben ist in Frankreich immer noch erlaubt. Zucker, pas de problème. Moderne Lehrer gehen zwar zunehmend dagegen vor (mit „lieber nicht“-Vermerken an die Eltern), aber sie haben eindeutig noch nicht die Oberhand gewonnen. Auch kein fanatischer Wettbewerb unter eifrigen Müttern (wer gibt seinem Kind die kreativsten und gesündesten Snacks mit?) wie bei uns. Französische Kinder feiern ihren Geburtstag in der Schule mit einem fetten Stück Kuchen, einer ordentlichen Tüte Haribo und literweise süßer Brause.
12. Läusekontrollen? Gibt es in Frankreich nicht. Wenn Kopfläuse auftreten, wird an der Tür zum Klassenzimmer einfach ein Zettel „Les poux sont de retour“ aufgehängt, alles Weitere bleibt den Eltern überlassen. Was konkret bedeutet, dass zu Hause große Mengen an chemischen Läusemitteln aus der Apotheke zum Einsatz kommen.
13. Ganz allgemein wird von französischen Eltern weniger Beitrag zum Schulleben erwartet. Außer bei Klassenfahrten und zum Abschlussfest vor den Sommerferien (la kermesse) gibt es kaum Gelegenheiten, zu denen sich Eltern aktiv engagieren können oder dürfen. Also keine Vorleseeltern, kein Oster- oder Weihnachtsfrühstück und was wir sonst so an elterlicher Mitwirkung gewohnt sind. Was nicht zuletzt daher rührt, dass in Frankreich oft beide Elternteile in Vollzeit berufstätig sind. Vielleicht werden sie aus diesem Grund von der Schule verschont. ***
14. In Deutschland herrscht unter Eltern und Lehrern eher ein positiver Ansatz bei der Beurteilung der Lernergebnisse: Man betont lieber das, was die Kinder schon können, als das, was sie noch nicht beherrschen. In dieser Hinsicht tut sich aberauch in Frankreich etwas. So gibt es seit etwa fünf Jahren in der Vorschule keine Zeugnisse mit Noten mehr. Die Eltern sehen jetzt nur noch, welche Fähigkeiten die Kinder erworben haben. Als Nachweis gibt es jedes Quartal einen Aufkleber ins Heft.
15. Schulfeste und Abendvorstellungen, die erst weit nach 21.00 Uhr enden, sind in Frankreich keine Ausnahme. Französische Kinder gehen später ins Bett, das ist für die Schule ganz normal.
16. Das französische Bildungssystem legt großen Wert auf Kunst und Kultur. Schon ganz junge Kinder lernen ellenlange Gedichte französischer Klassiker auswendig und selbst Kindergartengruppen machen Ausflüge in Museen mit klassischer oder moderner Kunst. Das Ergebnis ist eine beeindruckende Allgemeinbildung: Viele Sechsjährige können in Frankreich spielend ein Gemälde von Monet erkennen.
17. Der Lehrplan ist in Frankreich stärker theorie- und stofforientiert: Freies Interpretieren und die Entwicklung eigener Kreativität sind dem Auswendiglernen und Abfragen untergeordnet.
18. Gerade in der Grundschule sind die Englischkenntnisse der Kinder geringer als in Deutschland, wo bisweilen schon im Kindergarten spielerisch Englisch gelernt wird. Doch auch hier holt Frankreich inzwischen auf: ab dem Alter von 6 Jahren ist mindestens eine Stunde Englischunterricht pro Woche üblich, und viele Schulen bieten ab diesem Alter auch außerschulischen Cambridge-Unterricht an.
19. Während an deutschen (Grund-) Schulen allmählich die Digitalisierung Einzug hält, kommen in Frankreich Tablets oder Laptops frühestens ab dem Lycée (15 Jahre) im Unterricht zum Einsatz, und auch da eher zögerlich. Deutsche Schüler halten ihre Referate zunehmend mit selbst gestalteten PowerPoint-Präsentationen an digitalen Tafeln. In Frankreich sind digitale Tafeln auf dem Vormarsch, die bis vor etwa 3 Jahren in abgelegenen ländlichen Gegenden eher ein Exot waren:-)
20. Handys sind in Frankreich an öffentlichen Grundschulen und collèges (Schüler zwischen 11 und 15 Jahre) verboten. Seit 2018 müssen die Schüler ihre Handys vor dem Unterricht abgegeben. In den lycées (Schüler ab 15 Jahre) kann die Schulleitung selbst entscheiden, ob Smartphones mit ins Klassenzimmer dürfen oder nicht.
La Rentrée 2024: In diesem neuen Schuljahr werden mehrere öffentliche Schulen in Frankreich eine Schuluniform testen, die aus einem blauen Trikot, einem weißen Polohemd und einer grauen Hose besteht. Wenn sie erfolgreich ist, wird diese französische Schuluniform ab 2026 landesweit eingeführt.
* Die Maternelle mit 3 Jahren ist ab 2019 Pflicht.
** Schriftliche Hausaufgaben sind in Frankreich nach einem Gesetz von 1956 für Kinder unter 10 Jahren eigentlich verboten. In der Praxis geben viele Grundschulen trotzdem Hausaufgaben auf, die dann als „mündliche Hausaufgaben“ bezeichnet werden.
*** Nur 21 % der französischen Eltern arbeiten halbtags, während die Teilzeitquote bei deutschen Müttern fast 40 % beträgt und auch die Väter inzwischen zaghaft aufholen.
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Text: Nicky Bouwmeester (ist Holländerin, verheiratet mit einem Franzosen wohnt in Paris und hat 2 Kindern) Mit Dank an: Carole Gölitz (ist Französin, geheiratet mit einem Deutschen, wohnt in Holland und hat eine Tochter), Ulrike Grafberger (ist Deutsch, wohnt in Holland und hat einen Sohn), Egbert Ausems, Floor de Jager Bilder: Carole Gölitz, CC/Le Bourg Heidi (Zettel), CC/Araches la Frasse (Ranzen), CC/NickyB (Kantine und Schulfest). Offnungbild: Cell Lisboa (Unplatziert)
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