Zu Hause und in der Schule geht es in Frankreich oftmals anders zu als in Deutschland, Österreich oder der Schweiz. Nicky, die mit ihren 2 Kindern in Frankreich lebt, beschreibt die auffälligsten Kulturunterschiede.
1. Franzosen sind nicht so streng im Umgang mit ihren Babys
Muttermilchmaffia, Krabbelgruppenterror, Babyschwimmkursdisziplin … In Frankreich gibt es das nicht, und es besteht keine Einheitsreligion, was junge Mütter mit ihren Babys so alles anstellen sollen.
2. Französische Kinder gehen zu spät ins Bett
Es ist immer lustig, die erstaunten Blicke der Franzosen zu sehen, wenn ich ihnen erzähle, dass bei uns die Kinder um 19 Uhr ins Bett gehen. „Wann esst ihr denn dann?“ ist die Standardreaktion. Und genau hier liegt der große Unterschied: Weil die Franzosen länger arbeiten und später essen, verschiebt sich in Frankreich alles nach hinten. Auf dem Land ist man etwas früher dran, doch in der Stadt ist es durchaus normal, dass die Kinder erst um 20.30 Uhr im Bett liegen. Während der Ferien sogar noch viel später. (Sehr zum Ärger der deutschen Eltern, die ihre Kinder auf dem Campingplatz rechtzeitig zum Schlafen bewegen wollen, während draußen die anderen Kids noch fröhlich spielen und herumschreien :- )
3. Französische Kinder müssen Küsschen geben
Französische Eltern, die Wert auf gute Manieren legen, haben damit ihre liebe Mühe und Not: Bei einem Treffen müssen sogar die Kleinsten die gesamte Gesellschaft mit einem Kuss auf die Wange begrüßen. Bei Feierlichkeiten lief es bei uns dann oftmals so ab, dass ein kleines Menschlein von ganz allein auf mich zukam, mir an der Hose zog und mich küssen wollte. Meine eigenen Kinder dagegen haben sich gerade mal zu einem schlappen Händedruck und einem geflüsterten Bonjour überwinden können.
4. Zucker ist kein Tabu, auch nicht für die Allerkleinsten
Beim gôuter um ca. 16.00 Uhr, in Frankreich noch immer eine feste Tradition, bekommen Kinder was zu trinken und etwas Süßes zu essen, sodass sie bis zum Abendessen durchhalten. Fruchtsaft, pain au chocolat, Apfelmus, Plätzchen, Schokolade … Was auch immer es gibt, es darf durchaus viel Zucker enthalten. Schokoladentäfelchen, Lollys und Kuchen werden in der Grundschule am Geburtstag verteilt – von wegen gesunde Obststücke! Obwohl auch das sich in den letzten Jahren allmählich ändert: Auch in Frankreich ziehen immer mehr Lehrer irgendwo eine Grenze, was die Menge an Süßigkeiten angeht.
5. Zweimal täglich warmes Essen (= 2 x pro Tag Gemüse!) )
Ehrlich gesagt ist die Qualität des warmen Mittagessens in der Kita und in der Schule beeindruckend gut. Abwechslungsreich, vor Ort zubereitet und mit einer Zusammensetzung, die aus einem Restaurant stammen könnte. Ein Beispiel: „Rote-Beete-Salat, Kalbsroulade mit Bratkartoffeln, Käse und Fruchtkompott“. So lautet das normale Mittagessen für ein Kleinkind. Sehr praktisch für die Eltern, denn obwohl man nicht weiß, ob sie auch alles wirklich aufessen, so ist doch die Chance groß, dass sie genügend Gemüse abbekommen.
6. Französische Schulen sind (noch immer) etwas formeller
Während bei uns einige Schulen Wert auf eine breite Entwicklung des Kindes legen (auch in kreativer und emotionaler Hinsicht), scheint das französische Schulsystem hartes Arbeiten und messbare Ergebnisse zu bevorzugen. Schon mit sechs Jahren bekommen die Kinder viele Hausaufgaben. Auch scheinen die Lesebücher eher dem „Ansehen“ der Schule zu genügen als dem Interesse des Kindes. Meine Tochter lernte bereits im Kindergarten einiges über die griechische Mythologie (siehe Fotos unten!), und sie kann seit dem Alter von 5 Jahren lange Gedichte auswendig vortragen.
Was die Umgangsformen anbelangt, gilt nach wie vor: Den Lehrer oder die Lehrerin zu duzen, ist eher unüblich. In der Grundschule dürfen die Kinder die Lehrkraft in der Regel nicht einfach so mit dem Vornamen ansprechen, und ob sie sie duzen dürfen, bestimmt der Lehrer bzw. die Lehrerin selbst. Das ist in der Grundschule längst nicht immer der Fall, und im collège und lycée werden die Lehrer ohnehin ausnahmslos gesiezt. Zum Glück aber ist die Zeit, da sich die Sitzordnung der französischen Schulkinder im Klassenzimmer nach den Zeugnisnoten richtete, endgültig vorbei.
7. Französische Kinder müssen sich ihren Eltern anpassen
Das Bild, dass französische Kinder im Restaurant stundenlang stillsitzen, hat fast mythische Ausmaße angenommen. Natürlich ist es ein Kulturunterschied, ob Kinder nach ein paar Scheiben Brot wieder zum Spielen dürfen oder ob sie schon in der Schule lernen, vier Gänge lang am Tisch zu bleiben ohne zu murren. Im Allgemeinen habe ich nach über 20 Jahren in Frankreich den Eindruck, dass sich französische Kinder eher dem Leben der Erwachsenen anpassen müssen als andersherum. Und wenn das bedeutet, dass es beim Essen eben nicht so lustig zugeht oder dass sie 1 (oder 2) Stunden später zu Bett gehen, dann ist es eben so.
Griechische Mythologie im Kindergarten: eine Zeichnung von Daphne und Apollo.
Text: Nicky Bouwmeester/Ulrike Grafberger/Carole Gölitz, Fotos: Ausschnitte aus dem Film Le Petit Nicolas
AUCH INTERESSANT:
10 Arten, auf Französsisch NEIN zu sagen
Kinderfreundliche Hotels in Paris
7 Dinge, die man nie zu einem Franzosen sagen sollte
10x Viennoiseries beim französischen Bäcker
Keine Reaktionen