Wir mussten früh aufstehen. Für meine liebe Tochter natürlich viel zu früh. Doch der Gedanke, bald wieder in den komfortablen Stühlen des Eurostar lümmeln zu können, inklusive Wifi an Bord, besänftigt sie. Wir haben uns für ein Wochenende voller girls-only-qualitytime in Lille entschieden.
Rad fahren in Lille
Es gibt in meinen Augen keine bessere Möglichkeit, eine Stadt zu erkunden, als das Fahrrad zu nehmen. Obwohl Lille einen hervorragenden Fahrrad-Verleih hat (so wie Paris), haben wir uns mit Jean-Baptiste von Le Grand Huit verabredet. Radfahren ist seine Leidenschaft. Neben praktischen und blumenverzierten Hollandrädern hat er auch Tandems, Tretroller und sogar ein 8-Personen-Fahrrad im Angebot!
Jean-Baptiste, der sehr gut Englisch spricht, organisiert Radtouren durch die Stadt. Die Tour geht am Zoo und am Ufer des Flusses Deûle entlang, dann kreuz und quer durch Vieux-Lille. Dies ist die Altstadt voller Kopfsteinpflasterstraßen, idyllisch-verborgenen Plätzen, einer Kathedrale und La Grande Place.
Ebenfalls empfehlenswert sind die Radtouren durch Lille, organisiert von Baja Bikes.
Es ist einfach klasse, wenn man hinter jemanden her radeln kann und ganz entspannt einen ersten Eindruck von der Stadt bekommt. Zum Glück ist Lille äußerst kompakt. Wir fahren durch ein Viertel mit Häusern aus dem 19. Jahrhundert, die einen ganz besonderen Architekturstil haben. Würdevoll. Monumental. Ähnlich wie Paris. Weiter geht es zur Gare Saint Sauveur im Südosten der Stadt. Der ehemalige Güterbahnhof erfährt gerade eine Metamorphose und entwickelt sich zum neuen Kultur-Hotspot der Stadt. Die alten Hallen und der große Vorplatz werden als Ausstellungsflächen, Konzerthalle, Kinosaal und Restaurant-Café genutzt. Das sorgt für neue vibes in diesem Gebiet und – ihr werdet es noch sehen – das komplette Viertel erlebt einen Boost. Für uns war die Tour ein prima Start in den Tag und wird haben einen guten Eindruck von Lille erhalten!
Le Grand Huit, Avenue Léon Jouhaux, 59000 Lille. Jeden Freitag, Samstag, Sonntag wird eine 2-stündige Radtour für 19 € p. P. angeboten, das Rad ist inklusive. Gruppenpreise ab 8 Personen. Sommertipp: Jean Baptiste organisiert auch SUP-Touren auf den Kanälen von Lille!
Shoppen
Ist ja klar, ein Mutter-Tochter-Trip ohne ordentlichen Einkaufsbummel wäre sinnlos. Doch hier müssen Kompromisse eingegangen werden. Geht Tochter Merel am liebsten in Einkaufszentren, so streune ich lieber durch Gassen mit netten und originellen Geschäften. Der Vorteil von Lille: Alles ist in Vieux Lille zu finden. Wir einigen uns darauf, dass sie vor dem Mittagessen die Route bestimmen darf. Die ist überschaubar, denn in der Rue de Béthune und der Rue Neuve befinden sich die Geschäfte der angesagten Modemarken. Danach komme ich an die Reihe. Und das sind meine Lieblings-Einkaufsstraßen in Lille:
Rue Basse
Rue Basse ist die Seitenstraße der etwas größeren Rue Esquermoise. Hier findet ihr Bleu Natier, eine Boutique mit Designermode, Tommy Hilfiger und den Bensimon Concept Store Autour du Monde. Und schaut auch mal in den Kurzwarenladen La Droguerie hinein: nostalgisch schön! Ein Paradies für Fans von Perlen und Pailletten, Stoffen und Wolle. Auch klasse ist die Seitenstraße Rue des 3 Mollettes, in der ihr den neuen Designshop Momentum mit netten Gadgets findet.
Rue de la Clef
Rue de la Clef ist eine wunderbare, kleine Straße mit vielen Kleidungs- und Schmuckläden: Supreme Store und Origami, Petite Mendigote und Désert. Auch Marken wie JOTT, G-Star und Superdry sowie ein Buzz Sneakershop haben sich hier angesiedelt. Zudem könnt ihr prima durch den TILT Vintage Store streunen.
Rue de la Monnaie
In dieser Straße (Foto oben) findet ihr die eher traditionellen französischen Marken wie Zadig & Voltaire, La Fée Maraboutée und Sandro. Jeder Teenager bricht in Begeisterungsstürme aus, sobald ihm das beliebte Dessous-Geschäft LoveStories vor die Augen kommt.
Schlemmen bei Méert und Fred
Mögt ihr Süßes, dann seid vorgewarnt! Lille verspricht ein paar herrliche Geschmacksmomente. Zum Beispiel bei Méert in der Rue Esquermoise. Hinter der hübschen Fassade und dem verlockenden Schaufenster liegen unwiderstehliche Genüsse, die euch zurufen: Probiert uns! Und das geschieht en masse, schon seit 1761!
Dieser Laden ist für seine gauffres bekannt. Quoi? Waffeln mit Vanille, Pistazie oder Karamellfüllung. Oder – je nach Saison – ein anderer Geschmack. Zauberworte in den Ohren meiner Tochter! Wir gehen natürlich rein und erleben das ultimative Glücksgefühl. Schon alleine die Einrichtung ist eine Pracht. Es gibt einen Teesalon und einen hübschen Wintergarten mit Patio. Ihr könnt hier auch zu Mittag essen, doch Reservieren ist notwendig.
Eine weitere lokale, süße Berühmtheit ist der Merveilleux, ein Baiser-Törtchen mit Crème-Füllung, umhüllt von Schokolade, Mandeln oder Nüssen. Pappsüß, aber unglaublich lecker! Im Geschäft Aux Merveilleux de Fred in der Rue de la Monnaie könnt ihr durch ein Fenster im Laden bei der Herstellung zusehen. Doch leider … schauen heißt auch zugreifen; es gibt kein Entkommen! Auch dieser Laden hat – so wie Méert – inzwischen andere Städte ins Visier genommen, und so ist diese süße Köstlichkeit auch in tout Paris der Hit.
Bummeln durch Vieux-Lille
Die Altstadt, Vieux-Lille, erinnert an das alte Paris. Am besten schlendert man ziellos durch die Straßen. Lasst euch von den schönen Plätzen wie der Place des Oignons oder von der bizarr aussehenden Kathedrale* überraschen (ist sie nun schön oder hässlich?). TIPP: Schaut mal rein und entdeckt, was sich hinter der so langweilig scheinenden Marmorfassade verbirgt. Möchtet ihr nichts in Lille verpassen, dann solltet ihr beim Office du Tourisme vorbeigehen und euch mit Info-Material eindecken. Speziell für kleine Kinder gibt es einen Discovery Guide mit interessanten Aufgabenstellungen während eines Stadtspaziergangs durch die Altstadt. Leider gibt es ihn bisher nur in Französisch und Englisch.
* Cathedrale Notre-Dame de la Treille, Place Gilleson
Mittag- und Abendessen à la française
Wir sind in Frankreich, also machen wir es wie die Franzosen: Zu Mittag wird warm gegessen. In Lille ist ein Besuch in einem Estaminet eine besondere Erfahrung. Ein seltsames Wort für diese Mischung aus Stammkneipe und lokaler Gaststätte. Die Einrichtung ist ursprünglich, die Gerichte sind traditionell. Le Barbue d’Anvers ist dafür ein gutes Beispiel. Angesiedelt in einem jahrhundertealten Gebäude ist das Lokal wunderbar gemütlich eingerichtet. Auf der Karte stehen flämischer Eintopf, Rinderschmortopf, Carbonade flamand. Wir haben uns für Letzteres entschieden: in Bier geschmortes Rindfleisch mit leckeren, dicken Pommes Frites. Und auch der Preis ist erfreulich. Ein 2-Gänge-Mittagsmenü kostet 14,90 €!
Gut zu wissen: Die Rue de Gand ist die Ausgehstraße in Lille, wo ihr Restaurants aus aller Welt antrefft.
In Lille übernachten
Wir haben bei Booking.com gebucht und das Holiday Inn Express Hotel gewählt, das in der Nähe der großen Einkaufsstraße Rue de Béthune liegt (praktisch, falls man noch was umtauschen möchte). Die modern eingerichteten Zimmer sind zwar nicht sehr groß, haben dafür aber gute Duschen und ein prima Wifi (Nummer 1 auf der Prioritätenliste meiner Tochter). Das Frühstücks-Büffet ist inklusive.
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Zusammenfassung: Mutter und Tochter waren in Lille absolut happy. Doch die Zeit war viel zu kurz, sodass wir den geplanten Besuch des Musée des Beaux Arts, das nur 300 Meter von unserem Hotel entfernt lag, nicht mehr geschafft haben (Montag und Dienstag geschlossen). Die Zugreise war ebenfalls eine tolle Lösung, denn so konnten wir beide dank Wifi arbeiten. Ach ja, noch ein praktischer Tipp für Vieux-Lille: mesdames et mesdesmoisselles, zieht keine Schuhe mit hohen Absätzen an! Das bereut ihr auf den Kopfsteinpflasterstraßen …
PRAKTISCH: MIT DEM EUROSTAR NACH LILLE
3 Stunden und 8 Minuten – so lange seid ihr von Köln nach Lille unterwegs. Erst geht es mit dem Eurostar nach Brüssel, dann weiter mit dem TGV.
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Text und Fotos: Josée Schouten. Mit Dank an Jeroen Stam/ CDT Nord für die Insider-Tipps
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