Ihre Weine sind inzwischen international bekannt, und nach zehn stürmischen Jahren hat Lidewij van Wilgen endlich ihr Glück auf dem prächtigen Landgut Mas des Dames gefunden. Über ihre Erlebnisse schrieb sie ein Buch, das man in einem Zuge durchliest. Grund genug für ein Treffen mit dieser passionierten Geschäftsfrau.
„Moment, ich komme gleich!“, hören wir sie aus dem Fenster rufen, als wir zum zweiten Mal an der großen Glocke neben der blauen Haustüre klingeln. Uns bleibt somit noch etwas Zeit, einen Blick auf das beeindruckende Haus mit den blauen Fensterläden, auf den Vorgarten mit den großen Blumentöpfen und der riesigen Esche und auf die Terrasse mit dem runden Tisch und den Bistrostühlen zu werfen, die auf den hellen Kieselsteinen so einladend aussehen. Wir warten auf Lidewij van Wilgen, Winzerin im Languedoc und Autorin des Buches „Träume ernten“ (2013). Eigentlich ist sie immer beschäftigt, immer am Arbeiten, so wie sie uns später erzählt. Doch die nächsten Stunden nimmt sie sich Zeit
und erzählt uns nicht nur alles über ihr turbulentes Leben als Winzerin, sondern zeigt uns auch voller Stolz ihr prächtiges Weingut aus dem 18. Jahrhundert: Mas des Dames.
13 Jahre Schufterei
Wenn man ihr Buch (empfehlenswert!) gelesen hat, dann hat man das Gefühl, man würde sie bereits gut kennen. Eine Karrierefrau aus der Werbebranche, die im Jahr 2003 zusammen mit ihrem Mann und den 3 kleinen Kindern ihrem bisherigen Leben den Rücken kehrte und auf ein französisches Weingut im sonnigen Süden zog. Klingt gut – und inzwischen ist es das auch – doch die letzten 13 Jahre waren alles andere als ein Zuckerschlecken. Ihr Leben bestand aus knallharter Arbeit mit vielen Höhen und Tiefen. Was macht man, wenn der eigene Mann immer wieder zurück nach Holland muss, um dort Geld zu verdienen, und dann letztendlich beschließt, dass sein Herz doch eher an der Werbung als an der Winzerei hängt? Wie geht es weiter mit 3 kleinen Kindern, 20 Hektar Weinanbaufläche, einem Haus im Umbau und null Ahnung vom Winzerhandwerk? Und wie geht man damit um, wenn man fest entschlossen ist, den besten Wein der Region auf den Markt zu bringen, aber eine Frau und noch dazu eine Ausländerin ist? In ihrem Buch „Träume ernten“ erzählt Lidewij sehr offenherzig und mit viel Humor aus ihrer Vergangenheit. Und im echten Leben lädt sie uns zu einem Glas Wein ein und führt uns hinter das Haus, wo ein schöner Garten mit Pool und einer stilvollen Lounge-Terrasse liegt. Hier werfen wir mit ihr zusammen einen Blick in die Vergangenheit – und in die Zukunft.
In deinem Buch schreibst du über zahlreiche Rückschläge, bevor du hier endlich Fuß fassen konntest. Was war dein absoluter Tiefpunkt?
„Der Moment, den mein Ex-Mann Aad am lustigsten fand. Er kam hier eines Abends mit dem Auto angefahren und sah im Dunklen nicht mehr als einen kleinen Lichtpunkt. Das war ich, auf der Toilette, ohne Mauern um mich herum, denn das Haus wurde gerade komplett umgebaut. In diesem Moment habe ich mich schon gefragt: Mannomann, was machst du hier eigentlich?”
Wie hast du die ersten, schweren Jahre überstanden?
„Es war eine harte Zeit, durch die mich die Kinder, auch wenn sie noch klein waren, hindurch geschleppt haben. Ich glaube, wenn ich ganz alleine gewesen wäre und mich für niemanden hätte zusammenreißen müssen, dann wäre das Durchhalten noch viel schwerer gewesen. Die Mädchen haben jedoch nie wirklich mitbekommen, wie hart es war. Ihnen war es relativ egal, wie das Haus aussah, in dem sie spielten. Was sie in dieser Zeit lernten, war der Umgang mit verschiedenen Welten.“
Foto: Lidewij, Olivier, Laartje und Fiene
Wie geht es deinen Töchtern heute?
„Sehr gut! Marijn ist jetzt 19, Fiene 17 und Laartje 14 Jahre alt. Marijn studiert Medizin in Montpellier. Ich bin schrecklich stolz auf die Mädchen, denn sie haben sich alle drei toll entwickelt. Oder ist das jetzt so ein typischer Mutterspruch? Was mich wirklich freut, ist, dass sie nicht verwöhnt sind, mit anpacken können und dank der französischen Erziehung höflich und bescheiden sind. Doch ihre holländische Nüchternheit haben sie sich bewahrt und somit hinterfragen sie ihre Lehrer auch des Öfteren, haha. Sie alle drei fühlen sich hier unglaublich wohl; und auf jeder Flasche unseres Weins gibt es einen Fingerabdruck von einer meiner Töchter.”
Was ist die schwierigste Aufgabe einer Winzerin?
„Man ist niemals fertig und für alles verantwortlich. Letzteres ist wirklich ein Problem, denn wenn ich etwas nicht sage oder beauftrage, dann passiert auch nichts. Zum Glück habe ich meinen Assistenten Jean-François, der wirklich klasse ist. Doch ich bin seine Chefin und das will er auch so beibehalten. Wenn mal ein Problem auftritt und ich ihn frage, was ich machen soll, dann antwortet er nur nonchalant: Mais, c’est vous la patronne.”
Und was ist das Schönste an deinem Job?
„Durch den Weinbau habe ich enorm viele Menschen im In- und Ausland kennengelernt. So bin ich unter anderem Mitleid von Vinifilles, einer Vereinigung von Winzerinnen. Wir präsentieren uns gemeinsam auf Messen und inzwischen sind wir auch echte Freundinnen geworden. Weil wir eine Gruppe sind, haben wir ein starkes Auftreten. Sogar die älteren Männer des Dorfes kommen inzwischen hier ihren Wein holen. Es spielt also keine Rolle mehr, ob ich nun eine Frau bin, die Wein anbaut.“
Wie ist es eigentlich, im Languedoc zu wohnen?
„An diese Region habe ich mein Herz verloren. Dieser Teil vom Languedoc (das Hinterland des Departements Hérault, westlich von Béziers, Anm. d. R.) ist sehr abwechslungsreich, rau, pur und noch ziemlich unentdeckt. Sogar mein Mann, der aus Montpellier stammt, kannte diese Gegend nicht, wobei sie weniger als 40 Autominuten von der Stadt entfernt liegt. Und die Leute hier sind sehr sympathisch – welch ein Unterschied zu den Städtern! Wenn ich mir mal etwas Ruhe gönnen möchte, dann ist dies mein absoluter Glücksmoment: zusammen mit Olivier auf einer Bank sitzen und zusehen, wie die untergehende Sonne die Felsen am Ende des Weinberges in einen roten Schimmer taucht.”
Du hast also eine neue Liebe gefunden? Und das ist nicht mehr Laurent aus dem Buch?
„Oh nein, das war doch nicht der richtige Mann für mich! Er war schrecklich eifersüchtig und bekam regelmäßig Wutanfälle. Der Stress war so groß, dass ich Gesundheitsprobleme bekam und zur Untersuchung im Krankenhaus landete. Dort traf ich Olivier, einen Chirurgen, der scheinbar ein Auge auf mich geworfen hatte. Doch das ist mir damals gar nicht aufgefallen … Als es dann mit Laurent vorbei war und meine älteste Tochter einen Praktikumsplatz im Krankenhaus suchte, fiel mir Olivier wieder ein und ich meldete mich bei ihm. Das Ergebnis war nicht nur ein Praktikumsplatz für meine Tochter, sondern auch ein guter Kumpel, ein Sparringpartner und ein lieber Mann für mich, mit dem ich inzwischen schon mehrere Jahre zusammen bin.“
Unterstützt dich Olivier beim Weinbau?
„Olivier wohnt zwar hier, arbeitet aber noch immer im Krankenhaus von Montpellier. Er findet zwar mich und meine Arbeit klasse, doch kann sich überhaupt nicht vorstellen, wie mühsam das alles ist. Er idealisiert meine Arbeit ein bisschen, weil er selbst den ganzen Tag in einem Operationssaal ohne Fenster steht. Und ich als verliebte Frau teile natürlich auch nur die guten Dinge und die positiven Momente mit ihm. Doch das Schöne ist, dass ich für die Arbeit nicht mehr alleine auf Reisen gehen muss. Es macht einfach viel mehr Spaß, auf einer Messe im Ausland zusammen am Stand zu stehen und danach gemeinsam die Stadt zu erkunden.“
Kannst du inzwischen vom Weinbau leben?
„Ja, aber knapp. Ich produziere den Wein auf die teuerste Art und Weise, denn alles wird von Hand erledigt. Zusammen mit Olivier läuft es nun finanziell etwas besser und ich kann mir etwas Luxus leisten, so wie das Schwimmbad und die Liegen aus Bali. Im Sommer muss ich jedenfalls nicht mehr aus dem Haus. Früher vermietete ich es noch in den Sommermonaten, und wir wohnten dann in einem günstigen Ferienhäuschen auf dem Campingplatz oder schliefen bei Freunden …”
Inzwischen haben deine Weine viel Anerkennung und Preise gewonnen. Welche Ziele hast du noch?
„Ich möchte gerne, dass die Weine von Mas des Dames, die – im Gegensatz zu den meisten Languedoc-Weinen – komplett biologisch produziert werden, zu den Top-Weinen des Languedoc gezählt werden. In vielen wichtigen Weinführern und Fachzeitschriften werden wir bereits erwähnt, doch eine offizielle Anerkennung fehlt mir noch. Das würde natürlich auch den Verkaufszahlen gut tun und letztendlich auch mir. Ich habe jetzt einen Önologen angestellt, einen echten Weinfanatiker, der nur die besten Weine in seinem Portfolio stehen haben möchte. Wir haben also die gleichen Ziele. Und dann hoffe ich, dass mein Leben etwas ruhiger wird und ich mehr Zeit mit Olivier und den Kindern verbringen kann. Und wer weiß, vielleicht kommt auch ein neues Buch. Als ich vor Kurzem das Vorwort für die Neuauflage von „Träume ernten“ schrieb, habe ich wieder Gefallen am Schreiben gefunden!“
Text und Fotos: Josee Schouten
Träume ernten: Eine junge Frau, ein altes Weingut und ein neues Leben (Allgemeine Reihe. Bastei Lübbe Taschenbücher)
Ein fantastisches Buch, das wir wirklich empfehlen können! Lidewij van Wilgen erzählt sehr offen über ihre ersten Jahre in Südfrankreich. Auswandern, ein stressiger Umbau, das Erlernen des Winzerhandwerks … Keine einfache Zeit für sie. Obwohl an diesem Abenteuer letztendlich ihre Ehe zerbrach, ist das Buch kein dramatisches Liebesdrama voller Klischees. Lidewij kann nämlich hervorragend schreiben: flott, einnehmend und mit einer ordentlichen Portion Humor und Selbstironie.
„Träume ernten“ könnt ihr für 8,99 € online bestellen.
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