Zugegeben: Von Terre d’Argence hatte ich vorher noch nie gehört. Diese Region erstreckt sich zwischen den Städten Avignon, Nîmes und Arles und wird von der Rhône begrenzt. Hier liegen Orte wie Beaucaire, Vallabrègues und Bellegarde. Der Name Argence ist übrigens eine Anspielung auf die silbern schimmernden Blätter der Pappeln, die früher in großer Zahl entlang der Rhône standen. Dieses Gebiet ist bisher von Touristenmassen noch verschont, was man auch am Preisniveau merkt: Übernachtungen, Essen und Trinken sind bezahlbar. Provenzalisches Flair weht durch die Region, doch die Starallüren der großen Schwesterregion sind hier nicht zu finden.
Diverse Hotspots in der Nähe
Ein nicht zu unterschätzender atout dieser Region ist, dass ihr euch inmitten einiger der wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Gard und der Provence befindet. Wo auch immer ihr in der Terre d’Argence verbleibt: Avignon, Nîmes, Arles und Pont du Gard sind immer in der Nähe. Ihr könnt die Gegend sogar mit dem Fahrrad erkunden! Weiterer Pluspunkt: Der Süden der Terre d’Argence grenzt direkt an den Regionalpark Camargue. Selbst das Mittelmeer ist weniger als eine Autostunde entfernt. Josee hat die Gegend bereist und die folgenden Tipps mitgebracht.
Beaucaire besuchen
Diese charmante Stadt liegt etwa 50 km südlich von Avignon und lockt mit einem mittelalterlichen Stadtkern, einem kleinen Hafen an der Rhone und einem Schloss. Wir hatten bereits während unserer Vespa-Rundreise durch die Provence einen kurzen Abstecher in die Stadt unternommen. Die Geschichte von Beaucaire reicht bis in die Römerzeit zurück. Doch seine Blütezeit erlebte der Ort im Mittelalter, weil damals regelmäßig der 12 Tage dauernde Jahrmarkt Foire de la Madeleine stattfand. International bekannt wurde der Markt im 17. Jahrhundert, als er über 100.000 Besucher am Tag anzog.
Vor allem der Handel mit Seidenstoffen wirkte wie ein Magnet auf Käufer aus ganz Europa. Mit dem Aufkommen der Eisenbahn und dem damit einhergehenden Wegfall des Handels über den Fluss, verlor der Markt im Laufe des 19. Jahrhunderts an Anziehungskraft. Zudem wurde die Stadt mehrmals von den Überschwemmungen der Rhone heimgesucht, sodass ab 1845 ein Deich zum Schutz der Stadt gebaut werden musste.
Bei einem Spaziergang durch das Stadtzentrum von Beaucaire kann man die Pracht vergangener Zeiten noch an den zahlreichen hôtels particuliers und ihren Innenhöfen entdecken. Ein Rundgang ist sehr zu empfehlen! Der Ort besitzt auch mehrere schöne kleine Plätze, wie den Place de la Republique und den Place Georges Clémenceau, wo jeden Donnerstag und Sonntagmorgen der Markt stattfindet. In Richtung des charmanten kleinen Hafens kann man bereits die Ruinen des mittelalterlichen Schlosses Beaucaire erkennen. Heute beherbergt das historische Bauwerk ein Museum, das ihr besichtigen könnt. Hier bekommt ihr einen interessanten Einblick in die glorreiche Vergangenheit der Stadt (es gibt auch eine fantastische Nachbildung des früheren Jahrmarktes). Danach könnt ihr euch bei einem Spaziergang über die Festungsmauern die Stadt genauer ansehen.
Insider-Tipps
Leckeres Essen: Ich bekam ein wirklich gutes Mittagessen im Restaurant l’Epicerie am Place de la Republique. Das ältere Ehepaar Christine und Gerard kocht viel biologisch, alles ist hausgemacht und so naturbelassen wie möglich. Oder wie sie selbst sagen: pas du chi chi.
Tipps für den Nachwuchs: Seid ihr mit Kindern unterwegs, dann sorgt das Escape Game in der alten Festung für eine Menge Spaß. Ihr sucht nach dem Heiligen Gral, und der Weg führt euch durch Säle und Türme, die normalerweise geschlossen bleiben. Das Spiel kostet 16,50 € pro Person und wird in mehreren Sprachen angeboten.
Ein absolutes Must-see: die Abtei von Saint-Roman
Ein paar Kilometer nördlich von Beaucaire liegt zwischen den Hügeln die Abbaye de Saint Roman. Dieses Kloster aus dem 5. Jahrhundert wurde bis zum 15. Jahrhundert von Benediktinermönchen bewohnt. Der Besuch kostet etwas Mühe, denn vom Parkplatz aus sind es noch etwa 15 Minuten bergauf auf einem (gut ausgebauten) Fußweg durch den Wald. Aber die Anstrengung ist es auf jeden Fall wert. Denn was ihr zu sehen bekommt, ist einzigartig in ganz Westeuropa: Das Kloster ist voll und ganz in eine meterhohe Felsformation gehauen. Auf den ersten Blick sieht man nur die klaffenden Felslöcher. Das waren die früheren Höhlenwohnungen mit den Ställen der Bauern.
Denn was ihr zu sehen bekommt, ist einzigartig in ganz Westeuropa: Das Kloster ist voll und ganz in eine meterhohe Felsformation gehauen.
Der verschlungene Weg führt euch dann langsam den Hügel hinauf zum Klostereingang. Von hier aus hat man Zugang zu mehreren ausgehöhlten Räumen und Sälen. Ihre Größe ist beeindruckend! Und das ist noch nicht alles. Wenn ihr hinauf zur obersten Terrasse steigt, erwartet euch ein atemberaubender Rundumblick auf die Rhone und die Alpilles. Ihr könnt von dort auch Dutzende in den Stein geschlagene Gräber bestaunen – die letzte Ruhestätte der Mönche. Ein friedvoller und ruhespendender Ort!
L’Abbaye de Saint-Roman ist im Juli und August täglich von 10 bis 13 Uhr und von 14 bis 19 Uhr geöffnet. Außerhalb der Saison: siehe Website.
INSIDER-TIPP: Im Juni, Juli und August wird alle 2 Wochen mittwochabends auf der Terrasse der Abtei ein provenzalischer Aperitif angeboten. Ihr könnt dort Weine von lokalen Winzern probieren und eine Vorspeisenplatte bestellen. Ein Führer zeigt euch die Abtei und den Ausblick auf Rhône und Provence. Bevor ihr die Abtei verlasst, sollten ihr unbedingt in der Abenddämmerung durch die Kapelle gehen, die von zahlreichen LED-Kerzen beleuchtet wird. So ähnlich muss die mittelalterliche Beleuchtung mit Öllampen ausgesehen haben!
Information und Buchung über die Website des Office du Tourisme van Beaucaire Terre d’Argence.
Vallabrègues: ursprüngliches Handwerkerdorf
Ein Dorf mit viel provenzalischem Flair. Die engen Gassen bestehen hauptsächlich aus Arbeiterhäusern und Gebäuden, die früher als Schilfrohr-, Korb- und Möbelfabriken dienten. Denn bis zum Ende des 19. Jahrhunderts waren die Verarbeitung und die Nutzung von Schilfrohr die wichtigsten Handwerkszweige von Vallabrègues. Die regelmäßigen Überschwemmungen der Rhone in dieser Gegend boten einen idealen Nährboden für Schilfrohr. Mehr über diese besondere Tradition erfahrt ihr im Musée de la Vannerie.
Weiterhin zeigen noch einige Werkstätten, wie Körbe und Stühle auf traditionelle Art und Weise hergestellt werden. Und der Lehmboden der Region erwies sich als hervorragendes Material für die Herstellung von getöpfertem Service. Bei Ceram’Asteque könnt ihr Manon über die Schulter schauen, wie sie eine moderne Version traditioneller französischer Steinteller, Schüsseln und Tassen brennt.
Meine Liebe für Dekorationen brachte mich ins Atelier Vime. Antoine und Benoît, zwei erfolgreiche Innenarchitekten, bieten lokalen zeitgenössischen Künstlern einen Raum und präsentieren ihre handwerklich gefertigten Produkte. In einem tollen alten Gebäude am Quai du Rhône 24 findet ich eine außergewöhnliche Sammlung von Korbmöbeln, Lampenschirmen, aber auch Glas und Keramik, Porzellangeschirr und Vintage-Möbel. Originell und inspirierend! Im Sommer von Dienstag bis Samstag zwischen 11 und 19 Uhr geöffnet.
Insider-Tipps Vallabrègues
Unbedingt probieren und kaufen: die Saucisson de Vallabrègues vom Metzgermeister Theo Cuadrado. Bitte beachten: Sie ist nur von Mitte Oktober bis Mitte Mai erhältlich. Eine weitere Spezialität: Andouillette, eine Wurst aus Schweinekutteln.
Bonne adresse: Mas de l’Ilon, ein B&B und mas (Bauernhaus), nur 5 Gehminuten vom Dorf entfernt. Die 5 Zimmer zeigen sich in einer Bandbreite von provenzalischem Charme bis hin zum ultramodernen Stil. Außerdem gibt es einen Pool, einen Jacuzzi und ein reichhaltiges Frühstück mit frischen Produkten. Besonders die hauseigenen Fruchtsäfte solltet ihr euch nicht entgehen lassen! Weitere Infos.
Bemerkernswert: Vallabrègues ist tatsächlich das einzige Dorf der Terre d’Argence, das auf der anderen Rhone-Seite liegt. Dies ist der einzige Bereich des Ostufers, der zum Gard gehört.
Durch Terre d’Argence radeln
Aufgrund der vielen Sehenswürdigkeiten in der unmittelbaren Umgebung und der relativ flachen Landschaft eignet sich diese Gegend hervorragend für eine Erkundung mit dem Fahrrad. Entlang des Flusses könnt ihr ganz einfach die ViaRhôna nehmen, den Radweg von Genf zum Mittelmeer (auf dem wir schon einmal gefahren sind). Richtung Norden führt euch die Route nach Avignon und Richtung Süden nach Arles oder in die Camargue. Ihr radelt teils entlang der Rhône, teils entlang des Canal du Rhône à Sète sowie durch das Hinterland, das den Maler Van Gogh zu einigen seiner Meisterwerke inspirierte (wunderschön, aber nicht mehr so unberührt wie damals!). Siehe Etappe 18, 19 oder 20 unter viarhona.com.
Eine weitere fantastische Radroute ist die Voie Verte Marinet von Beaucaire zum Pont du Gard, die über einen gepflasterten Weg (ca. 22 km einfache Strecke) führt. Ideal, wenn ihr dieses beeindruckende römische Aquädukt ohne Parkplatzsuche besichtigen möchtet. Für die Sportlichen unter euch: Die Route führt noch weiter in die sehenswerte Stadt Uzès (32 km einfache Strecke).
Insider-Tipp!
Wenn ihr eine Mehrtagestour unternehmen möchtet: In Terre d’Argence gibt es 18 Einrichtungen des Fahrrad-Services Accueil Vélo. Sie befinden sich immer in der Nähe eines Radwegs und bieten unter anderem Lade- und Abstellmöglichkeiten.
Anreise nach Terre d’Argence
Ich nahm den Zug nach Avignon. Erst fuhr ich mit dem Eurostar nach Paris und dann weiter mit dem TGV nach Avignon. Im Sommer gibt es eine direkte Eurostarlinie. Vom TGV-Bahnhof in Avignon könnt ihr ein Auto mieten oder ein Taxi nehmen, zum Beispiel nach Beaucaire (25 km), wo es Fahrräder zu mieten gibt.
Mit dem Auto: Von Düsseldorf nach Beaucaire sind es rund 10 Stunden.
Text & Bild: Josee Schouten, OT Beaucaire
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