Egal, zu welcher Tageszeit – eine Mahlzeit ist in Frankreich erst dann komplett, wenn es ein Brot dazu gibt. Somit wäre auch geklärt, warum in Frankreich 10 Milliarden Baguettes im Jahr verkauft werden. Doch was darf man mit dem knusprigen Weißbrot anstellen und was nicht? Hier folgt die baguette-etiquette!
In einem Restaurant soviel Baguette bestellen, wie man möchte?
Ja klar! In Frankreich kann man sich den Brotkorb so oft nachfüllen lassen, wie man will. Brot gehört zu einer Mahlzeit einfach dazu, und daher wundert sich kein Ober, wenn man zwischen Vorgericht und Käseplatte den leeren Brotkorb in die Höhe hält. Und die zweite Ladung kostet auch nicht extra, denn das Brot ist in der Regel im couvert inbegriffen. Doch bitte beachten: Die Franzosen essen das Brot während der Mahlzeit und nicht davor. Also nicht sofort ein Brot bestellen und den Korb noch vor dem Bestellen leer futtern. Das hinterlässt in Frankreich einen schlechten Eindruck.
Eintunken – done or not done?
Sehr viele Franzosen machen es: mit einem Stück Brot die Reste vom Teller zusammenkratzen und aufessen. Kein Problem, sofern man den Teller nicht blitzsauber wischt. Einem Artikel im Figaro zufolge ist diese französische Angewohnheit sogar in den besten Restaurants nicht mehr tabu. Doch solltet ihr irgendwann einmal im Elysée-Palast eingeladen sein, dann hat der französische Knigge klare Vorgaben: saucer (tunken) gehört sich eigentlich nicht.
Brechen oder schneiden?
Wenn ihr bei französischen Freunden zu Hause zum Essen à la bonne franquette (informelles Mittag- oder Abendessen) eingeladen seid, dann kann es sein, dass das Baguette noch im Ganzen auf dem Tisch liegt. In diesem Fall bricht jeder ein Stück für sich ab, einfach so mit den Händen. Auch für ein Stück Brot, das ihr während des Essens neben euren Teller legt, braucht ihr kein Messer.
Oh oh, die Kruste nach unten legen
Die jüngere Generation glaubt nicht mehr dran, aber auf dem Lande können ältere Franzosen noch eine richtig unglückliche Mine machen, wenn man das Baguette falsch herum, also mit der Kruste nach unten, auf den Tisch legt. So manch einer bekreuzigt sich sogar. Warum? Einem Aberglauben zufolge fordert man so den Teufel heraus. Andere halten dies für eine alte Tradition, die bis ins Mittelalter zurückgeht.
Die Spitze noch während des Einkaufens abbrechen
Schaut euch auf der Straße doch mal um: Bei Weitem nicht alle frisch gekauften Baguettes schaffen es wohlbehalten bis nach Hause. Eine in Frankreich weitverbreitete Eigenart (laut Schriftsteller Philippe Delerm gehört es zu den größten kleinen Glücksmomenten) ist es, noch auf dem Weg die Spitze (le quignon) vom Baguette abzubrechen. In Frankreich schaut euch niemand schief an, wenn ihr der Versuchung nicht widerstehen könnt. Doch wenn zu Hause Gäste auf euch warten, dann sieht es wiederum komisch aus, wenn ihr mit einem angebrochenen Brot ankommt.
Beim Bäcker nur eine Hälfte bestellen
Unglaublich, aber wahr: So wie wir in Deutschland ein halbes Brot bestellen, so kann man in Frankreich nach einem demi-baguette fragen. Dann schneidet der Bäcker vor euren Augen das Baguette in zwei Hälften oder gibt euch ein halbes Brot, das noch im Regal liegt. Und das kostet dann auch nur die Hälfte. Manche Bäcker teilen nur normale Baguettes, also nicht das bessere und teurere baguette tradition. (Unserer Meinung nach sollte man immer letztere Variante wählen, denn sie schmeckt einfach besser).
Ein Riesenstück Baguette in den Kaffee tauchen
Noch so eine auffällige französische Eigenart: beim Frühstück ein Stück Brot inklusive Butter und Marmelade in den Kaffee tunken. Jeder Franzose würde bestätigen, dass sich das eigentlich nicht gehört, und dennoch machen es viele Leute (und vermutlich sind die Café-au-lait-Tassen deshalb so groß wie Suppenschüsseln). Daher würden wir sagen: Sofern ihr nicht gegenüber dem französischen Präsidenten oder einer strengen französischen Schwiegermutter sitzt, könnte ihr das Brot beruhigt eintauchen, sofern ihr Lust dazu habt.
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Text: Nicky Bouwmeester/Ulrike Grafberger, Foto: Jason Hutchens und N. Wang
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