Die stilvoll renovierten Hafenkais, die Altstadt voller Weltkulturerbe-Sehenswürdigkeiten und das beliebte Ausgangs- und Studentenviertel Saint-Pierre sind alleine schon eine Reise wert. In Bordeaux spürt man die goldenen Jahre als schicke Weinstadt, und auch das Geld der etablierten Winzerdynastien fließt noch reichlich. Doch Bordeaux zeigt sich auch jung, hip, multikulti, künstlerisch und alternativ. Hier und da entdeckt man sogar den rauen Charme einer echten Hafenstadt.
Vier Viertel, vier Gesichter
Wenn ihr von Nord nach Süd der halbmondförmigen Biegung der Garonne folgt, dann kommt ihr automatisch an den 4 komplett verschiedenen Viertel am linken und am rechten Flussufer vorbei. Links liegt erst Le Bacalan, das Hafen-Industriegebiet, und dann kommt Les Chartrons, das historische Zentrum des Weinhandels. Am anderen Flussufer befindet sich La Bastide, eine Grünzone am Wasser mit dem hippen Hotspot Darwin. Weiter downtown, zurück am linken Ufer, stoßt ihr auf die Multi-Kulti-Gegend Saint-Michel mit dem lebhaften Marché des Capucins.
Karen (auf dem Foto mit ihrer Tochter Fien) wohnt in Bordeaux und verrät uns ihre Lieblingsadressen in den 4 Szene-Vierteln
1. Le Bacalan: ein Hauch Berlin
Neben dem modernen Pont Chaban-Delmas befindet sich das Hafengebiet von Bordeaux, eine spannende Mischung aus Alt und Neu. Die früheren Hafengebäude und Arbeiterviertel haben sich in rasend schnellem Tempo in ein Szene-Viertel verwandelt, in dem man prima wohnen, arbeiten und ausgehen kann. Man gelangt dorthin über den Quai de Bacalan, wo das Outlet-Zentrum Quai des Marques endloses Shoppingvergnügen verspricht. In der Ferne taucht dann das Weinmuseum auf, La Cité du Vin, das ebenfalls einen Besuch wert ist! Zwischen Baggern und Baukränen im Viertel Bacalan trifft man auf spannende Ausgehadressen auf Booten wie La Dame, Food & Club, ideal zum Tanzen, Essen und Cocktails trinken, oder auf I-boat: eine Fähre mit 3 Stockwerken, Konzertsaal und Restaurant.
Jean-François Buisson von Vivres de l’Art, Les Tontons, Base sous-marine
Ziemlich ausgefallen ist auch La Base sous-marine de Bordeaux. Während des Zweiten Weltkrieges war das U-Boot für die Deutschen im Einsatz und seit diesem Sommer verwandelt es sich in das künstlerische Bassins de Lumières. Auch das Künstleratelier Les Vivres de l’Art von Jean-François Buisson, der mit Eisen arbeitet, ist ein kreativer Hotspot mit einem verwunschenen Garten, in dem sich u.a. die Brauerei PIP angesiedelt hat.
Les Tontons, Kidsproof-Restaurant am Rande des Viertels Bacalan
Hier könnt ihr in lockerer Atmosphäre ein Bier trinken und sogar Open-Air-Konzerte, Theatervorstellungen und soirées grillades (BBQ) besuchen. Ein anderer gemütlicher, grüner Cityspot ist der hübsche Garten der Bar de la Marine, der zum Essen und Trinken einlädt. Und am Rande dieses Viertels, neben der Chaban-Delmas Brücke, eignet sich das Restaurant Les Tontons zum Ausgehen mit Kindern, denn das Büffet wird auch den Kleinsten gerecht.
2. Les Chartrons: das Notting Hill von Bordeaux
Place du Marché des Chartrons
Südlich von Bacalan, ebenfalls am linken Ufer der Garonne, liegt Les Chartrons. In dem Viertel gibt es zahlreiche Weinlager aus dem 18. Jahrhundert, viele davon waren in englischen, irischen oder holländischen Händen. Von diesen Nationen lernten die Franzosen den internationalen Handel. Vom Flussufer aus gelangt ihr in die Wein-Entrepots, aus denen die Holzweinfässer direkt auf die Schiffe gerollt wurden. Aus einem dieser Speicher wurde ein kreativer Schmelztiegel: Rue de Faubourg des Arts.
Bistros Le Carré und Chez Dupont, die Brücke von Aquitaine und eine der vielen schönen Boutiquen der Gegend
Ein anderes Lagerhaus, das Entrepots Lainé, beherbergt ein Museum für moderne Kunst. Sehr empfehlenswert! Kein Wunder, dass an sonnigen Wochenenden viele Menschen zum Spazierengehen am Fluss und danach zum Essen im Picknickstil bei Marché des Quais des Chartrons vorbei schauen. Die jungen Leute treffen sich dagegen vor allem im Skatepark.
Quais des Chartrons
Die Rue Notre Dame mit ihren ausgefallenen Shopping- und Ausgehadressen erinnert an die Portobello Road in Notting Hill. Ein „Dorf in der Stadt“ mit einem Hauch Bobo-Chic. Empfehlenswert sind hier v.a. Chez Dupont (B&B und Restaurant), das älteste Bistro von Bordeaux, und das typisch italienische Restaurant Boca a Boca mit dazugehörigem Tante-Emma-Laden (super Brötchen & Schinken!). Sucht ihr ein Café, dann solltet ihr bei La Pelle Café vorbeischauen, einem der 5 echten Kaffeeröstereien von Bordeaux. 100% Made in France dagegen ist ein toller Concept Store!
Der Skatepark, Faubourg des Arts (Läden in einem ehemaligen Weinspeicher), Place du Marché des Chartrons
Das Viertel ist auch für seine guten Vintage- und Trödelgeschäfte bekannt. Antiquitäten-Liebhaber können im Village Notre Dame Stunden verbringen: 60 Antiquitätenhändler haben sich in einer alten Druckerei angesiedelt. Ich selbst finde den kleinen, gemütlichen Platz Place du Marché des Chartrons sehr schön, an dem es viele Bistros und Restaurants gibt wie Le Carré (französische Küche mit modernem Touch) oder Chez Boulan (frischer Fisch, Austern).
3. La Bastide: die grüne Lunge von Bordeaux
Lust auf frische Luft und etwas Grün? Die Brücke Chaban-Delmas neben der La Cité du Vin oder der alte Pont de Pierre südlich des Zentrums bringen euch rüber zum sich stetig wandelnden Rive Droite mit dem Viertel La Bastide, wo eine fast ländliche Atmosphäre herrscht. Eine Runde über die 2 Brücken (10 km) zu wandern oder zu radeln ist ein beliebter Ausflug in Bordeaux. Aber auch eine Tour mit dem kostenlosen Wassertaxi BatCub mit einem Zwischenstopp an der Place Stalingrad neben der alten Brücke macht viel Spaß. Eyecatcher auf dem Platz ist die XL-Skulptur namens Le Lion Bleu vom Pariser Künstler Xavier Veilhan.
Place Stalingrad mit Le Lion Bleu
Dieses quartier ist die grüne Lunge von Bordeaux, denn hier befinden sich der Park Aux Angeliques und der Jardin Botanique. Der Park erstreckt sich am Ufer und bietet eine ganze Reihe von Picknick- und Spielplätzen. Und im botanischen Garten könnt ihr euch im Restaurant Le Caillou internationale Gerichte schmecken lassen.
Hipper Hotspot Darwin in einer ehemaligen Kaserne
An dieser Seite der Garonne haben wir euch schon den hippen Hotspot Darwin und das im Ibizastyle gehaltene Fischrestaurant Les Chantiers de Garonne vorgestellt. Doch da wäre noch mehr! Seid ihr auf der Suche nach einem Mix aus Landleben und fröhlichem Marktgeschehen, dann mengt euch beispielsweise bei La Guinguette Chez Alriq (am Wasser) unter die Einheimischen. Hier gibt es auch oft Live-Vorstellungen – von jazz manouche bis Zirkus – und das alles in einer superentspannten Atmosphäre. Außerdem eine sehr kinderfreundliche Location, das heißt: viel Platz! Wer es schicker mag, der kann in der ehemaligen Straßenbahnremise Le Siman vorbeischauen, mit Terrasse und fantastischer Aussicht auf die Innenstadt mit ihren vielen Unesco-Monumenten. Hier findet ihr sowohl ein trendy Restaurant als auch eine Brasserie mit Tapas, Austern und Pinchos. Ein weiterer Tipp ist L’Oiseau Bleu für einen fantastischen Ausgehabend in Bordeaux!
Das Zentrum am anderen Ufer der Garonne, das „gesunde“ Restaurant Humming und die Kirche Sainte-Marie de la Bastide
Und hier noch eine ganz besondere Entdeckung: Gesundes und hausgemachtes Fastfood oder einfach nur einen guten Kaffee mit einem brookie (Brownie & Cookie) bekommt ihr im Lunchroom im Mini-Format namens Humming. Charles und Gilles kombinieren Neo-Snacking mit einem klasse Interieur mit viel Vintage. Auch zum Mitnehmen geeignet, denn eine ihrer durchaus bezahlbaren ‘formules’ eignet sich hervorragend fürs Picknick.
4. Saint-Michel: Bordeaux’ kreativer Schmelztiegel
Downtown am linken Ufer und nahe dem Bahnhof Gare de Saint-Jean liegt das bunte Arbeiterviertel ‘Saint-Mi’ mit dem überdachten Markt Le Capu. In diesem quartier wohnt und arbeitet eine bunte Mischung aus über 60 Nationalitäten! Tout Bordeaux, vom Studenten bis zum Rentner, kommt hier regelmäßig vorbei, um kosmopolitisches Flair zu tanken. Es gibt viele bezahlbare arabische Geschäfte mit Lebensmitteln und Wohnaccessoires, und der Markt am Samstag, der Marché Saint-Michel, ist bei den Einwohnern von Bordeaux ebenfalls sehr beliebt.
Le Capu, die Markthallen
Mit der Eröffnung der Ligne Grande Vitesse (LGV) wird Bordeaux ab Sommer 2017 nur noch 2 Stunden von Paris entfernt sein. Das ist auch einer der Gründe, warum sich dieses Viertel beim Bahnhof Gare Saint-Jean so schnell verändert. Diverse Nebenstraßen werden komplett restauriert, und es eröffnen immer mehr ausgefallene Cafés und Bistros sowie Multikulti-Läden wie Le Comptoir de Magellan, wo es Geschirr, Schmuck und Kleidung aus allen Ecken und Enden der Welt zu kaufen gibt. Ich bin ein absoluter Fan des köstlichen, hausgerösteten Kaffees der Mini-Kantine Une Faim du Loup.
Aussicht von der Flêche Saint-Michel
Vor allem die beliebten Plätze Place Meynard und Place Canteloup (rund um die Basilique Saint-Michel und die Flêche Saint-Michel) sind einen Besuch wert, vor allem dann, wenn der Flohmarkt (3 x pro Woche) stattfindet. Noch mehr Secondhand-Sachen, von Factory-Stil (Industriedesign) bis Bohème Chic, findet ihr die ganze Woche über in Le Passage Saint-Michel, einem riesigen Bananenlagerhaus aus dem 18. Jahrhundert, das heute 20 Antiquitäten- und Trödelhändler beherbergt. Von hier aus seht ihr in der Ferne den beliebtesten Markt der Stadt: Marché des Capucins, auch Le Capu genannt. Am Sonntag bekommt ihr hier ein herrliches Mittagessen mit Wein, Tapas, Austern u.v.m. inmitten des Marktgeschehens. Sehr empfehlenswert!
Basilique und Flêche Saint-Michel, Flohmarkt Saint-Michel, Café Une Faime de Loup
Zwischen La Flêche und Le Capu findet ihr noch mehr beliebte Kneipen und Bistros wie Le Cochon Volant (unbedingt reservieren!), Papy fait de la résistance und Le Bistrot. Oder doch lieber eine Weinbar? Ein gutes Glas Wein zusammen mit einem Lächeln und guten Snacks bekommt ihr bei Julo oder bei Le Fil Rouge. Aber auch viele internationale Restaurants sind in diesem Viertel anzutreffen: Kokomo serviert gute amerikanische Burger und vegetarische Gerichte, Le Marhaba dagegen ist für seine marokkanische Tajine- und Couscous-Gerichte bekannt (Alain Juppé kommt auch hierher!).
Aussicht von der Terrasse des Le Marhaba, wo sogar Bürgermeister Alain Juppé zum Essen vorbeischaut.
Hier folgen ein paar Aufnahmen von unserem letzten Bordeaux-Besuch!
Text: Karen Kommer-de Graaff, Fotos: Karen Kommer-de Graaff Weitere: (Bacalan) Base sous-marin cc/F. Deval, (La Bastide) Eglise Sainte-Marie de la Bastide, CC/Sara Soulignac, (Chartrons) Quai des Chartrons CC/Vincent Bengold, Pont d’Aquitaine CC/Steve Le Clech, Faubourg des Arts CC/Sophie Dubosq (Saint-Michel) Basilique et Fléche Saint-Michel CC/Sophie Duboscq, Marché Le Capu CC/Sara Soulignac, CC/Faim du Loup.
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