Mon Dieu! Das ist oft der einzige Gedanke, der vielen beim ersten Besuch einer echt französischen Fromagerie durch den Kopf schießt. Da stapeln sich die schönsten Käseräder und -scheiben. Man weiß genau, dass sich dahinter wirkliche Gaumengenüsse verbergen. Und trotzdem kann der Besuch auch eine echte Herausforderung für die Nase bedeuten.
Ihr wollt euch nicht blind auf das Urteil eures Riechorgans verlassen? Dann folgt uns in eine buchstäblich zartschmelzende Welt. In diesem Artikel zeigen wir euch nicht nur die größten Stinker auf der französischen Käseplatte, sondern auch, was dazu besonders gut passt und wieso etwas so Leckeres überhaupt so riechen muss. Doch Vorsicht: Bevor ihr euch an die Top-Platzierungen der Charts wagt, solltet ihr euch erst mal mit harmloseren Käsesorten herantasten.
Käse-Charts
10. Der Camembert
Der Camembert ist wohl der französische Käse, mit dem die meisten von euch schon zuhause Erfahrungen gesammelt haben dürften. Denn er ist ein Exportschlager – und ein streng geschütztes Produkt obendrein. Obwohl Camembert eine frei verwendbare Bezeichnung ist, heißt der echte Camembert Camembert de Normandie. Und der darf eben nur in dieser Region hergestellt werden. Viele Camemberts, vor allem jüngeren Datums, haben einen beinahe neutralen Geruch. Aber was ein Bien fait, also gutgereifter Camembert ist, den riecht man schon von weitem: Je kräftiger der Duft, umso nussig-aromatischer und cremiger wird die Spezialität.
9. Der Reblochon
Der nächste Käse unserer Liste ist für die meisten Deutschen schon wesentlich unbekannter. Auch er ist ein weicher Rohmilchkäse, stammt aber aus Savoyen, der gebirgigen Region zwischen Frankreich, Italien und der Schweiz. Bei ihm entsteht der nachgerade umwerfende Duft schon relativ früh, weshalb Reblochons für den geruchsneutralen Transport auf Anfrage auch gerne vakuumverpackt werden. Der Reblochon ist zudem der aromatische Star in einem traditionellen Rezept aus den Savoyen, das manche vielleicht aus dem Skiurlaub kennen.
8. Der Brie de Meaux
Hier kommt ein Käse, der schon 1815 zum „König aller Käse“ gekrönt wurde. Passend dazu ein kleiner geschichtlicher Exkurs: Diese Krönung geschah auf dem Wiener Kongress. Dort ging es eigentlich darum, Europa nach den Napoleonischen Kriegen neu zu sortieren. Weil eine solche politische Veranstaltung aber ziemlich trocken ist, wurde ein Käse-Wettbewerb ausgerufen, bei dem alle Länder teilnehmen durften. Es darf angenommen werden, dass die Vertreter Nasenklammern dabeihatten. Während jüngere Exemplare noch relativ neutral riechen, hat ein Bien fait Brie de Meaux ein kräftiges Aroma nach nassem Stroh, Pilzen und – mit zunehmendem Alter – etwas Ammoniakgeruch. Mit einem höheren Fettgehalt als Camembert kommt der fruchtig-würzige Geschmack noch stärker zur Geltung.
7. Der Livarot
Obwohl er auch aus der Normandie stammt, ist der Livarot längst nicht so international bekannt wie der Camembert. Dennoch zählt er zu den ältesten Käsespezialitäten aus dieser Region. Seine Form ist etwas kompakter und höher. Beim optimalen Reifegrad ist er oben noch kaum eingesunken. Der charakteristisch kräftige Geruch verspricht ein intensives, leicht salziges Aroma mit einem würzig‑erdigen Geschmack. Bisweilen gesellen sich dazu fruchtige, rauchige oder pflanzliche Noten.
6. Der Maroilles
Ihr kennt den 2008er Film Willkommen bei den Sch’tis? Dann kennt ihr auch den Maroilles, denn er wird in einer Szene hemmungslos zum Frühstück verspeist. Man darf sicher sein: Als die Szene gedreht wurde, mussten die Schauspieler nochmal eine Extraschaufel Talent draufpacken, denn der Maroilles, der aus dem gleichnamigen Dörfchen im Département Nord stammt und dessen Wurzeln bis ins Frühmittelalter zurückreichen, ist eine ziemliche Stinkbombe. Selbst Genießer bezeichnen ihn höflich als streng. Vom bisweilen unangenehmen Geruch sollte man sich allerdings nicht abschrecken lassen. Schuld am intensiven Duft sind die Rotschmierbakterien auf der Rinde. Selbst jüngere Exemplare haben dadurch einen kräftigen säuerlich-bitteren Geschmack. Der Ammoniakgeruch macht sich geschmacklich aber nicht bemerkbar.
5. Der Epoisses
Der Epoisses legt beim Geruch noch einmal zu. Die Spezialität aus dem Burgund wird nicht etwa nur aus Rohmilch hergestellt, sondern zudem traditionell in Marc de Bourgogne gewaschen. Das ist ein Weinbrand, der aus Trester hergestellt wird. Die Rotschmierbakterien sorgen ebenfalls für einen kräftigen Geruch und Geschmack. Als Ergebnis kommt durch die besondere Behandlung nicht nur der klassische Weichkäse-Stallduft, sondern viele weitere Aromen nach Hefe bis hin zu einer stark alkoholischen Note. Mit zunehmendem Alter wird der Kern immer cremiger.
4. Der Pont l’Evêque
Was genau es ist, das die Einwohner der Normandie zu solchen Stinkkäse-Experten macht, weiß keiner. Aber es steht fest, der Pont l’Evêque nimmt die Spitzenreiterrolle unter den normannischen Stinkern ein. Hartgesottene Käsefans entdecken hinter dem stechenden Stallgeruch allerdings leckere Aromen, die sich viel zurückhaltender zeigen, als der strenge Duft vermuten lässt. Ein spezieller Edelpilz sorgt für einen unerwartet milden, aber dennoch würzigen Geschmack.
3. Der Munster
Diesen Weichkäse bemerkt jeder sobald er mit ihm in einem Raum ist. Er wird bereits seit dem 7. Jahrhundert hergestellt und wird heutzutage als einer der wichtigsten elsässischen Spezialität angesehen. Auch wenn dieser Käse noch so lecker und würzig ist, ist sein Geruch wirklich eine Herausforderung nicht nur für empfindliche Nasen. Auch hier fällt der Geschmack deutlich milder aus, als es der Duft vermuten lässt.
2. Der Boulette d’Avesnes
Diese Käsespezialität aus der nördlichen Region Nord-Pas-de-Calais zeigt sich bereits bei ihrer charakteristischen Form als etwas ganz Besonderes. Die Kegelform resultiert aus einer ausschließlich handwerklichen Herstellung. Für den Boulette d’Avesnes wird Buttermilch, frischer Käsebruch oder Stücke jungen Maroilles verwendet. Verschiedene Gewürze wie Paprika, Pfeffer, Petersilie oder Estragon und das Waschen mit Bier sorgen für ein sehr intensives Aroma – und einen sehr strengen Geruch.
1. Der Vieux Boulogne
Auch der Sieger dieser aromatischen Hitliste stammt, wie könnte es anders ein, von der Ärmelkanalküste. Um das mal klarzustellen: Der Vieux Boulogne ist nicht nur irgendein starker Stinker. Er ist der Stinker. 2004 testete ein britischer Wissenschaftler Käsesorten auf ihren Gestank und der Vieux wurde als überlegener Gewinner eingetragen. Dennoch ist sein kräftig-aromatischer Geschmack mit Pilzaromen einen Versuch wert.
Warum stinken die Käse?
Stellt sich natürlich die Frage, warum aus dem Käse, der zunächst nur aus harmloser Milch besteht, etwas so enorm Müffelndes werden kann. Die Antwort ist ganz einfach: Rohmilch, Fett und meistens zugegebenen Edelschimmelpilzen. Wenn die sich daranmachen, die Milch-Eiweiße zu zersetzen, reift der Käse – und zwar nicht nur im Geschmack. Aber immer gilt, wenn sich ein Geruch nach Ammoniak hinzugesellt, ist der Käse gekippt. Dann heißt es Finger weg. Übrigens würde kein Franzose zugeben, dass sein Käse stinkt. Er hat dann caractère oder ein parfum prononcé (Charakter bzw. ausgeprägter Geruch).
Was passt zum Käse?
Grundsätzlich gilt, je stinkiger der Käse ist, desto weiter weg sollte das, was man dazu genießt, in Sachen Aroma sein. So kommen sich konkurrierende Noten nicht in die Quere. Als Wein passt hier oft ein Tropfen besonders gut, der aus derselben Region stammt wie der Käse – und zwar weiß oder rot. Aber auch der typische, kräftige Bordeaux kommt für manche Käsesorten in Frage.
Gerade kleine Weingüter sind hier oft etwas experimentierfreudiger und setzen auf ökologische Anbaumethoden. Es lohnt sich mitunter, hier einmal etwas Ungewöhnlicheres auszuprobieren. Die sogenannten Vin Naturel, wie etwa von dem kleinen aber feinen Gut namens Mirebeau bieten besondere Aromen, die gut mit bestimmten Käsesorten harmonieren können. Bei den nordwestfranzösischen Stinkern muss es aber nicht mal Wein sein. Da dürfen es auch kräftige Biere sein, etwa ein Stout, Bockbier oder ein dunkles Bier.
Gebt euren Senf dazu!
Abseits der Getränke schmeckt auch Senf hervorragend. Und zwar Dijon. Der ist relativ mild, teilweise leichtgesüßt. Damit bietet er einen passenden Gegenpool zu den kräftig schmeckenden Käsesorten, welche in unseren Charts stehen. Aber: Finger weg von scharfem Senf. Der funktioniert nur auf ganz milden Käsesorten wirklich gut – etwa einem wirklich jungen Brie oder Camembert. Und apropos Camembert: Den kann man auch mit Speck und Zwiebeln zu einem herrlichen Backofen-Gericht kombinieren.
Und dann gilt eine weitere Regel: Käse und Nüsse sind immer gute Freunde. Doch es sollten einheimische Nüsse sein, etwa Walnüsse oder Haselnüsse. Im Winterhalbjahr harmonieren auch ein kräftiger Käse und eine Handvoll gerösteter Maronen unglaublich gut miteinander. Dazu noch ein getreu guter Baguette-Etikette gebrochenes Weißbrot und das perfekte französische Abendessen steht – wenngleich es natürlich gut möglich ist, dass man danach die Küche durchlüften muss. Denn je wärmer der Käse auf dem Tisch wird, desto stärker verströmt er sein Aroma.
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Fotos: Nicky Bouwmeester (livarot), Frédérique Voisin-Demery (maroilles), N. Kuzma (époisses), CC/BY-SA 3.0 (boulettes d’Avesnes), Graham Holliday (Vieux-Boulogne), Gasper Torriero (Munster), Fotolia. com © Gregory Lee #206232165, Pixabay.com © PDPhotos #3550 (camembert), fotolia.com © Philipimage #23702025 (reblochon), fotolia.com © kristina rütten #51619440 (Brie de Meaux), fotolia.com © ALF photo #37584693 (Pont l’Evêque)
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