Vielleicht habt ihr bereits in unserem Artikel zu verschiedenen französischen Erfindungen alltäglicher Gebrauchsgegenstände über das ein oder andere modische Highlight gestaunt. Neben der Denim-Jeans, dem Poloshirt oder dem Neoprenanzug, stammt auch der Bikini aus Frankreich.
So haben wir bereits kurz erwähnt, dass das heute wohl beliebteste Kleidungsstück in Sachen Bademoden für Frauen von dem Modeschöpfer Louis Réard erfunden wurde. 1946 hat dieser das gute Stück bei einem Schönheitswettbewerb erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Da das knappe Kleidungsstück mehr als provokant war und eine Revolution der Bademode einleitete, möchten wir dem Bikini hiermit gesonderte Aufmerksamkeit schenken. Also: Wie war das damals genau in Frankreich?
Der Bikini: Eine vieler modischer Erfindungen Frankreichs. (unsplash.com © Jernej Graj)
Louis Réard – Der Erfinder des Bikinis
Louis Réard wurde im Jahr 1897 in Frankreich geboren. Eigentlich war er Automobilingenieur, im Jahr 1940 jedoch übernahm er das Wäschegeschäft seiner Mutter. Schnell wurde er so in der Nähe von Les Folies Bergères in Paris vom Ingenieur zum Modedesigner.
Inspiriert durch Beobachtungen an den Stränden Saint Tropez, kam er auf die Idee, die Bademode für Frauen zu verändern. Denn er sah, dass viele der französischen Frauen die Ränder ihrer Badeanzüge nach oben rollten. Diese nachträgliche und manuelle Anpassung der Schnitte diente schlichtweg dazu, gleichmäßiger auch an eigentlich verdeckten Körperstellen braun zu werden.
Bevor Réard jedoch eine neue Art der Schwimmode erfinden konnte, kam ihm zunächst der zwei Jahre jüngere Modedesigner Jacques Heim zuvor. Ebenfalls ein gewiefter französischer Mann mit Sinn für Frauenmode, entwickelte Heim im Jahr 1946 einen zweiteiligen Badeanzug. Diesen nannte er „Atome“ (Auf deutsch: Atom). Der untere Teil des Badeanzugs, den Heim sich ausgedacht hatte, war gerade groß genug, um den Bauchnabel der Trägerinnen zu bedecken. Um für seinen neuen Entwurf zu werben, beauftragte Heim Himmelsschreiber, die über dem Mittelmeerort, in dem er zuhause war, für den Atome warben. Der Spruch, den er dafür, nutzte, lautete: „Der kleinste Badeanzug der Welt“.
Anfangs verdeckten Zweiteiler für den Strand noch mehr der Haut Frankreichs. (unsplash.com © Rae Angela )
Louis Réard bekam das mit und zögerte nicht lange. Er schlug zurück mit seiner Erfindung, die er mit den Worten „Kleiner als der kleinste Badeanzug“ verkaufen sollte. Und auch dieser Spruch wurde mit Himmelsschreibern, dieses Mal über der Côte d’Azur, hoch oben über den Strand getragen. Indem Réard die Idee Heims weiter verfeinerte und noch mehr Stoff wegnahm, schaffte er es, die Grundsteine heutiger Bikini zu legen. Zwar finden sich heute etliche verschiedene Ausführungen, die damals noch nicht so ausgefeilt waren. Doch Réard schuf zumindest den ersten String-Bikini, ohne den Styles, wie es sie heute gibt, nicht vorstellbar gewesen wären. Réards Modell bestand der aus vier Dreiecken, die aus einem nur 30 Quadratzentimeter großen, mit einem Zeitungsmuster bedruckten Stoff gefertigt waren. Dünne Stoffstränge hielten die Dreiecke zusammen.
Werbung durch Micheline Bernadini und Brigitte Bardot
Michelle Bernardini – Das erste echte Bikinimodell
Doch damit nicht Et voilà!… Denn Réard begegnete einem nicht geringen Problem: Als der Modemacher nämlich ein französisches Modell suchte, das seinen Entwurf bei der ersten Präsentation tragen sollte, wollte keines der üblichen Mädchen den Anzug tragen. Zu knapp, zu freizügig, zu unangebracht schien das Stück der Allgemeinheit.
Doch Réard war von seiner Erfindung überzeugt und ließ sich nicht den Enthusiasmus nehmen. Kurzum engagierte er so die 19-jährige Nackttänzerin Micheline Bernardini aus dem Casino de Paris als Modell für seinen Bikini. Gemeinsam mit dem jungen Mädchen stellte Réard seinen neuen „Badeanzug“ am 5. Juli 1946 im Piscine Molitor vor. In dem zur damaligen Zeit sehr beliebten öffentlichen Schwimmbad in Paris waren diverse Medien anwesend und die Öffentlichkeit wurde das erste Mal mit dem lichten Stück Badestoff konfrontiert.
Auf dem bis heute berühmtesten Foto des Modells im ersten Bikini, hält Bernadini eine Streichholzschachtel in der Hand. Damit sollte gezeigt werden, dass die neue Bademode so klein und kompakt gefaltet werden kann, dass sie sich sogar auf kleinstem Raum verstauen lässt.
Das Spannungsverhältnis zwischen Nacktheit und Verhüllung war anfangs ein echter Skandal und sprach sich gerade deshalb schnell rum. Als Réard den Bikini im Piscine Molitor zeigte, erwähnte er selbst Berichten zufolge ganz passend: „Der Bikini ist so klein, dass er alles über die Trägerin enthüllt bis auf den Geburtsnamen ihrer Mutter!“
Brigitte Bardot, Marilyn Monroe und die USA
Sechs Jahre nach dem anfangs noch skandalös und lediglich von einer Nackttänzerin getragenen ersten Bikini, hatte sich das Kleidungsstück bereits verbreitet. Dennoch trauten sich etliche Frauen immer noch nicht an den Bikini und bevorzugten zurückhaltendere Zweiteiler. Selbst Sexsymbol Marilyn Monroe trug zunächst keinen „echten“ Bikini.
Doch spätestens Brigitte Bardot machte die knappere Bademode gesellschaftsfähig. Im Jahr 1952 spielte sie im Alter von gerade einmal 17 Jahren die Hauptrolle in dem französischen Film „Manina, das Mädchen im Bikini“. Es handelte sich dabei um einen der ersten Filme überhaupt, in denen ein Bikini als Kleidungsstück zu sehen war. Auch bei den 6. Internationalen Filmfestspielen von Cannes 1953 gab die junge Schauspielerin ihr Debüt im Bikini. Sie mochte die Bademode so sehr, dass sie 1956 in dem Film „And God Created Woman“ erneut im Bikini vor die Kamera ging.
Die im Bikini gekleidete Bardot verhalf der Bademode in Europa zum Durchbruch. In den USA hingegen dauerte es noch etwas länger, bis der Bikini seinen Erfolg feierte. Doch Bardot und ihr jüngster Film schafften es, das Entblößungsverbot des US-amerikanischen Kinos zu umgehen und auch hier den Bikini auf die Leinwand zu bringen. Der Grund: Es handelte sich ja um einen ausländischen Film.
String Bikinis, wie sie heute normal sind, verdanken Frauen der Erfindung Louis Réards. (unsplash.com © Israel Gil )
Was haben Bikinis mit Bomben zu tun?
Im Jahr des Bikinis, 1946, befand man sich noch in einer Zeit, die massiv von den Folgen des Zweiten Weltkriegs geprägt war. Die ersten Atombombenabwürfe der Geschichte hatten nur einige Monate zuvor unzähligen Menschen das Leben gekostet. Zudem hatten sie Japan zur Kapitulation gebracht. Statt Verdrängung allerdings beschäftigte man sich intensiv mit der Zerstörungswut und den Möglichkeiten der Atombombe.
Die 1950er Jahre waren so auch noch von einer regelrechten „Atomeuphorie“ geprägt. Nicht zuletzt wurden attraktive Frauen damals erst seit einiger Zeit als „bombshell“ bezeichnet, wovon vermutlich auch das heutige „Granate“ oder auch „Bombe“ als Urteil über eine gutaussehende Frau stammt. Aus irgendeinem Grund jedoch setzte sich Jacques Heims Name „Atom“ als Name für die Bademode nicht durch.
Réard hingegen hatte mit seiner Bezeichnung „Bikini“ sofort Erfolg. Und das, obwohl auch seine Idee rund um das Bombenthema angesiedelt war. Denn auf seinen Namen kam er aufgrund des Bikini-Atolls, einem Territorium der Republik Marshallinseln im mittleren Ozeanien.
Hier wurde am 1. Juli 1946 von einer US-amerikanische B-29 über dem Bikini-Atoll die erste Atombombe der Nachkriegszeit abgeworfen. Dieser erste Test leitete eine ganze Testserie von 23 Kernwaffentests ein. Louis Réard erkannte die Möglichkeit für zeitgenössisches Marketing. Denn er wusste, dass seine Erfindung skandalträchtig war und einschlagen würde wie eine Bombe. Daher bediente er sich der Assoziation zum exotischen Südsee-Atoll und der durchschlagenden Wirkung der dort getesteten Bomben. Denn die Atomtests wurden meist weniger als gefährlich, riskant, umweltzerstörend oder unmenschlich, sondern eher als fortschrittlich, durchschlagend und sensationell augefasst – also genau das, was sich Réard auch für seinen Bikini wünschte.
Der Bikini setzt sich durch
Kurz nach der Einführung des Bikinis und nach der ersten Präsentation im Piscine Molitor sorgte der Bikini für eine Menge Aufsehen. So richtig durchsetzen konnte er sich allerdings erst einmal nicht – weder in Frankreich, noch sonst irgendwo auf der Welt. Diverse Badeorte in Spanien, Italien und Portugal verboten das zweiteilige Kleidungsstück für den Strand.
In den USA durfte man Bikinis anfangs nicht einmal nur nicht zum Baden tragen. Auch in Hollywood sowie auf Schönheitswettbewerben war der Bikini absolut tabu. Noch 1949 war man sich nicht einmal mehr in Frankreich selbst sicher, ob man derart freizügige Mode draußen tragen durfte. Daher erlaubte die französische Polizeipräfektur den Bikini zwar am Mittelmeer, an der französischen Atlantikküste hingegen blieb er weiterhin verboten.
Den eigentlichen Durchbruch erlebte der Bikini erst als Teil der Emanzipationsbewegung der Frau in den 60er Jahren. Wie etwa auch der Minirock half er beim Kampf der Frauen um ein Recht auf Selbstbestimmung und modische wie sexuelle Freiheit. Nach und nach gewöhnt man sich an den Anblick, die Verbote nehmen ab und die breite gesellschaftliche Akzeptanz steigt. Allerspätestens im Jahr 1962, als Ursula Andress im ersten James-Bond-Film, „007 jagt Dr. No“, im Bikini aus dem Wasser steigt, wurde klar: Jetzt trägt man als Frau Bikini zum Baden!
Keine Reaktionen